Das Ehepaar Else und Johannes Harter aus Alfdorf feiert heute Gnadenhochzeit /​Im Kreise der Familie wird am Samstag gefeiert

Ostalb

Rems-Zeitung

Singend hat Else Harter das Herz ihres Mannes erobert. Das war vor über70 Jahren – am heutigen Tag feierndie beiden ihre Gnadenhochzeit.Von Nicole Beuther

Montag, 13. September 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
165 Sekunden Lesedauer

ALFDORF. Das Ehepaar erinnert sich noch genau an den Tag, an dem sie sich das erste Mal trafen. Es war in ihrem Heimatort Teplitz in Bessarabien. Zusammen mit zwei Freundinnen sang die junge Else Schaal dem sechs Jahre älteren Johannes Harter ein Ständchen. Er, der gerade zum Wehrdienst in die rumänische Armee eingezogen worden war, war auf Anhieb fasziniert von der schönen Stimme der jungen Frau; sie war fasziniert von seinem Aussehen.
Am 13. September 1940 heiratete das Paar; Else Harter war 19, Johannes Harter war 25 Jahre alt. Schon kurz darauf folgte die Umsiedlung von Bessarabien nach Polen, wo die zweite Hochzeit stattfand. Nicht etwa, weil sich die Beiden in jemand anderen verguckt hatten, sondern allein deshalb, weil die erste Hochzeit in Polen nicht anerkannt wurde.
Am schlimmsten war für
Else Harter die Ungewissheit
Vier Jahre nach der Hochzeit und der Geburt von Tochter Gerlinde wurde das junge Glück auf eine Probe gestellt. Johannes Harter wurde 1944 eingezogen; das Kriegsende wenige Monate später bedeutete nicht das Ende der Qualen, die der Krieg dem Paar bereitete. Der Familienvater kam in russische Gefangenschaft. Am schlimmsten war für Else Harter die Ungewissheit, ob ihr Mann noch am Leben ist; im russischen Gefangenenlager herrschte Schreibverbot. Ein erstes Lebenszeichen erhielt Else Harter 1946, dem Jahr, in dem sie mit der Erstgeborenen nach Alfdorf gezogen war.
Johannes Harter hatte einem Mithäftling, der altershalber aus dem Gefangenenlager entlassen worden war, einen Brief mitgegeben, den dieser in seinem Strumpf versteckte und einer Bekannten der Harters übergeben sollte, die den neuen Wohnort von Else Harter vermutlich kannte. Johannes Harter erinnert sich noch genau an den Wortlaut: „Johannes Harter, geboren am 22. Dezember 1914 in Teplitz, sucht seine Frau Else, geborene Schaal, geboren am 13. Juni 1921 in Teplitz, und seine Tochter.“ Der Brief kam bei der Bekannten der Harters nie an. Es verlief anders beziehungsweise besser als gedacht: Der 65-​Jährige, der den Brief der Bekannten geben sollte, erzählte während einer Zugfahrt nach Baden-​Württemberg einer ihm Unbekannten, dass er eine Frau namens Else Harter suche. Eine glückliche Begegnung: Die Frau war zufällig eine Schulfreundin der Teplitzerin und wusste, wo sich die Gesuchte aufhielt. 1949 war die Familie wieder vereint; 1954 erblickte Tochter Monika das Licht der Welt. Es folgten viele schöne und vor allem arbeitsreiche Jahre. In Bessarabien und Polen hatte das Paar eine Landwirtschaft betrieben; in der neuen Heimat ließ sich Johannes Harter zum Maurerpolier umschulen, Else Harter arbeitete über 20 Jahre im Spital zum Hl. Geist Schwäbisch Gmünd, einige Jahre als stellvertretende Stationsschwester.
Seine Frau habe ihm Kraft gegeben, die Geschehnisse der Kriegsgefangenschaft zu verarbeiten, so Johannes Harter, für den es nur eines gibt, was ihm in den Momenten des Ausflugs in die schreckliche Vergangenheit ein Lächeln ins Gesicht zaubert: Der Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes. Erst als diese Zugang zum Lager bekommen hätten, habe sich die Situation verbessert, erinnert sich Harter, der früh den Wunsch hatte, selbst eine solche Institution zu gründen
Hilfe erfahren und
jahrelang Hilfe gegeben
Zusammen mit seiner Frau und neun weiteren Ehrenamtlichen rief er 1957 den DRK-​Ortsverein Alfdorf ins Leben. 35 Jahre war Johannes Harter dort Ausbilder und nahm zusammen mit seiner Frau Else an zahlreichen Schulungen teil. 1968 fand das erste Mal in Alfdorf eine Blutspendeaktion statt; bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Bürger in Mutlangen und Lorch Blut spenden. Else Harter war Bereitschaftsführerin und Sachbearbeiterin beim DRK.
Heute sind Else und Johannes die einzigen noch lebenden Gründungsmitglieder und außerdem Ehrenbereitschaftsführer. Ehrenamtlich engagiert waren die Beiden auch lange Jahre beim VdK, den Bessarabiendeutschen, dem Musikverein sowie dem Obst– und Gartenbauverein.
Heute geht es ruhiger zu, aber Langeweile ist für die Harters nach wie vor ein Fremdwort. Vor allem der Garten schenkt ihnen von Tag zu Tag Kraft und auch die Musik spielt nach wie vor eine große Rolle; Johannes Harter spielt Ziehharmonika.