Böbingen spart mit dem Inline-​Verfahren viel Geld

Ostalb

Rems-Zeitung

Wenn Abwasserkanäle nicht mehr dicht sind, sickert der Dreck ins Erdreich. Deshalb sind Gemeinden dazu verpflichtet, ihre Leitungen zu kontrollieren und Schäden zu beheben – zum Beispiel mit dem „Inline-​Verfahren“. Durch die „Röhre in der Röhre“ spart beispielsweise Böbingen recht viel Geld.

Mittwoch, 13. April 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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BÖBINGEN (pm). Die Eigenkontrollverordnung mag aufgrund der daraus resultierenden Kosten manchem Gemeinderat, Bürgermeister oder Kämmerer ein Dorn im Auge sein – aber sie hat zum Schutz der Umwelt durchaus ihren Sinn. Denn im Laufe der Jahre nagt der Zahn der Zeit an Beton-​, Steinzeug– oder Kunststoffrohren. Druck und Erschütterungen durch den Verkehr, das Wachstum von starken Wurzeln, Setzungen des Erdreichs und aggressive Substanzen im Abwasser setzen den Kanälen zu und verursachen Verschleiß. Statt in der Kläranlage gereinigt zu werden, gelangt dann ein Teil des Abwassers ins Grundwasser – und dies will wirklich niemand.
Deshalb lassen die Gemeinden ihr Kanalsystem von Ingenieurbüros regelmäßig überprüfen und die einzelnen Stränge in Schadensklassen einteilen. Je nach Einstufung ergibt sich dann eine Prioritätenliste. Sehr hilfreich bei der Kanaluntersuchung sind die seit Jahren üblichen „Befahrungen“ mit Kamera-​Robotern.
Inzwischen können die Kanal-​Roboter aber noch viel mehr: Exakte Vermessung und Aufzeichnung aller Anschlüsse, Reinigen der Leitungen, Abfräsen von eingebrochenen Teilen oder das Entfernen von Wurzelwerk.
Als ob diese Leistung noch nicht beachtlich genug wäre, können die Roboter aber außerdem das so genannte „Inliner-​Verfahren“ bewerkstelligen. Dies hat mit dem beliebten Rollschuh-​Fahren allerdings nur den Namen gemeinsam. „Inline“ bedeutet in diesem Falle schlicht „von innen“ und beschreibt damit, dass sich eine Gemeinde bei der Kanalsanierung das teure Aufgraben inklusive der Wiederherstellung von Straßenbelägen sparen kann. Nachdem nämlich alle Hindernisse innerhalb der Röhre beseitigt und Verschmutzungen abgespült sind, geht man so vor, als wäre der alte Kanal ein „Leerrohr“, in das eine neue Röhre wie ein Kabel eingezogen werden kann.
Möglich ist dies nur, weil es inzwischen Kunstharze gibt, die erst unter Einfluss von ultravioletter Strahlung aushärten. So ist es möglich, dass der „Kanal im Kanal“ zunächst wie ein leerer Feuerwehrschlauch durch die Röhre gezogen wird. Er besteht allerdings aus einem völlig anderen Material, nämlich aus mehreren Lagen Glasfasergewebe, die bereits mit einem Spezialharz getränkt sind. Gemäß der Kamera-​Aufzeichnungen werden im Werk bereits Löcher für Zuleitungen, zum Beispiel die Hausanschlüsse, passgenau freigelassen. Schutzfolien auf der Außen– und Innenseite des Glasfaserschlauchs verhindert, dass die Harztränkungen zu einer ungewollten Verklebung führen. Erst von der Schlauch richtig eingezogen und mit Hilfe von Druckluft aufgeblasen ist, wird ein mit starken UV-​Lampen bestückter Roboter durch die Leitung geschickt, der pro Minute zirka einen Meter Inline-​Kanal aushärtet. So entsteht eine rund fünf Millimeter starke, sehr belastbare und gegen die üblichen Abwasserbestandteile unempfindliche „Röhre in der Röhre“ – mit einer Haltbarkeit von mindestens 50 Jahren!
Nun schon im dritten Jahr wird diese Technik in Böbingen angewendet; und heuer wird man damit fertig. Rund sechs Kilometer Kanalleitung wurden beziehungsweise werden in Böbingen auf diese Weise saniert. „Ich sage aber lieber erneuert, denn es entsteht mit dieser Technik ja im Grunde genommen ein völlig neuer Kanal mit einer vom alten Kanal unabhängigen Statik“, betont Bürgermeister Jürgen Stempfle. „Wer sich auskennt, weiß, wie viel Geld die Gemeinde dank dieser innovativen Technik sparen kann. Bisher hatten wir ja nur die Möglichkeit, bei kleineren Schäden punktuell aufzugraben oder einen weitgehend undichten Kanal komplett auszuwechseln.“