Veranstaltung des evangelischen Bauernwerks in Gschwend

Ostalb

Rems-Zeitung

„Maß statt Masse“ – so lautete dasMotto eines Vortragsabends im evangelischen Gemeindehaus Gschwend, zu dem der Bezirksarbeitskreis Gaildorf des Evangelischen Bauernwerks inWürttemberg e. V. eingeladen hatte.

Donnerstag, 14. April 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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GSCHWEND (pm). In seiner Begrüßung zeigte sich Bezirksbauernpfarrer Achim Ehring beruhigt darüber, dass die Landwirtschaft im hiesigen Bereich nicht industriell und auf Massenproduktion ausgerichtet sei. Dies mache es unwahrscheinlicher, dass sich ein Vorfall wie der jüngste Dioxinskandal hier ereignen könne. Allerdings falle es den heimischen Familienbetrieben immer schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben.
Als Referenten hatte der Bezirksarbeitskreis des Bauernwerks Dr. Jörg Dinger gewonnen, der seit etwa zweieinhalb Jahren Landesbauernpfarrer der Ev. Landeskirche in Württemberg ist. Gleich zu Beginn seiner neuen Tätigkeit hatte er im ZDF einen Fernsehgottesdienst zur Fragestellung des Abends gestaltet. Aus der Fernsehaufzeichnung zeigte er im Lauf des Abends Ausschnitte, die die Fragestellung verdeutlichten.
Jörg Dinger zeigte auf, dass die Erwartungen der Verbraucher an Lebensmittel durchaus widersprüchlich sind. Essen solle heute möglichst wenig Geld kosten und die Zubereitung möglichst wenig Zeit in Anspruch nehmen. Dennoch sollten die Lebensmittel möglichst gut, frisch und gesund sein. Die Folge all dieser sich widersprechenden Erwartungen für die Verbraucher seien Betrügereien bei der Lebensmittelproduktion und der Einsatz von Imitaten, um Kosten zu sparen. Die Landwirtschaft drohe zwischen den unterschiedlichen Erwartungen zerrieben zu werden. Einerseits soll sie möglichst günstig für den Weltmarkt produzieren, andererseits werde Qualität erwartet.
„Wie soll die Landwirtschaft damit umgehen?“, fragte Jörg Dinger. Sie dürfte sich nicht einfach zurückziehen. Wichtig sei, dass man die Lebensmittelproduktion transparent mache und verdeutliche, dass Subventionen Sinn machen.
Problematisch ist es aus der Sicht des Landesbauernpfarrers, wenn man bei der Produktion nur auf Masse setzt – auch wenn dies immer wieder gefordert werde, um den Welthunger zu bekämpfen. Dieser sei nur teilweise ein Problem der Produktion, und mehr ein Problem der Verteilung und des Verlustes durch Lagerung und Transport.
Dinger wandte sich jedoch auch dagegen, die moderne Landwirtschaft zu verteufeln. Wo beginnt Masse im problematischen Sinn? Diese Frage lässt sich für Jörg Dinger nicht einheitlich beantworten. Nicht die Größe des Tierbestandes sei hier entscheidend. Problematisch werde es, wenn die Gesundheit der Tiere leide, weil es ein Ungleichgewicht zwischen Tierbestand und Fläche gebe, und wenn eine Überbelastung der Landwirte durch Arbeit oder Verschuldung entstehe. Er forderte: „Landwirtschaft muss wirtschaftlich, sozial und ökologisch sein.“ Diese Anforderungen an die Landwirtschaft könnten jedoch nicht pauschal, sondern nur individuell gelöst werden.
Der Verbraucher solle möglichst regional, saisonal und natürlich einkaufen. Dies sei eine gute Zielrichtung, die freilich nicht bis zur letzten Konsequenz durchgehalten werden könne. Die Motivation dazu sieht Dinger nicht nur in der ethischen Verantwortung. Der Verbraucher habe ja ein eigenes Interesse daran, schmackhafte und gesunde Lebensmittel zu konsumieren. Zeitmangel und Bequemlichkeit hindern jedoch oft daran, bewusst einzukaufen und zu kochen. Dinger warnte vor einer moralischen Überfrachtung des Essens. Man solle sich den Genuss nicht durch ein schlechtes Gewissen verderben. Die Bibel sei ein Buch, das neben dem Lebensnotwendigen auch den Genuss wertschätze. „Nehmen Sie sich Zeit zum Kochen, Essen und Genießen!“, meinte Jörg Dinger. Außerdem rief er dazu auf, einen angemessenen Preis für gute Lebensmittel zu zahlen.