Mittlerweile warten am Schechinger Osterbrunnen fast 10 000 liebevoll bemalte Ostereier

Ostalb

Rems-Zeitung

Wer’s nicht gesehen hat, glaubt es nicht: Knapp 800 neue Eier sind entstanden; das hat grob geschätzt, 1600 Stunden Zeit gekostet, die die Ehrenamtlichen ihrer Gemeinde geschenkt haben. Und in nur einer Woche wurden jetzt über tausend weitere Arbeitsstunden in den Aufbau des Osterbrunnens investiert.

Donnerstag, 07. April 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
210 Sekunden Lesedauer

SCHECHINGEN (bt). Es war kühl und regnerisch am vergangenen Donnerstag. Den Buchs drinnen zu verarbeiten ging freilich gar nicht, dienen die Berge frisch geschnittenen Grünzeugs doch allen Abdeckungen zum Trotz immer wieder als Katzenklo. Entsprechend stinkt das Zeug zuweilen erbärmlich und muss zunächst auf seine Tauglichkeit untersucht werden. Nichts, was in der eigentlichen Osterbrunnen-​Baustelle im Bauhof, wo der Kaffee steht und die Heizstrahler und das Radio, erwünscht ist. Stunde um Stunde hieß es also, fröstelnd draußen stehen, Tausende Zweiglein abknipsen und eine Sehnenscheidenentzündung riskieren — nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig. Und das war nur der Donnerstag, der Anfang einer Woche, wie es sie im ganzen Land kein zweites Mal gibt.
Rund 200 Kubikmeter Grünzeug wurden in diesen Tagen in Schechingen angeliefert und neben den Buchs– auch zig Thujahecken für den Osterbrunnen gestutzt; viele Gartenbesitzer freuen sich über die Schechinger Heckenschneider, die das Zeug auch noch einsammelten und mitnahmen. Die Thuja-​Zweige durften sofort ins Warme, und die Damen, die sich ihnen widmeten, erinnerten ans Rumpelstilzchenmärchen, nur dass der Berg, auf dem sie saßen, grün war und nicht strohgelb.
Natürlich wird gelacht in dieser Woche. Nicht zu knapp. Und erzählt wird auch. Von früher, und davon, was so passiert im eigenen Leben und in Schechingen. Irgendjemand bringt immer Kuchen mit oder ein Vesper, und es kommt schon mal vor, dass selbst gemachter Eierlikör ausgeteilt wird. Einige sind seit dem ersten Jahr dabei, also seit 2003, und bei ihnen scheinen sich Grün und Draht von selbst um die Schaumstoff– oder Metallbögen zu winden; sie gucken gar nicht mehr richtig hin, so sehr sind ihnen die Bewegungen in Fleisch und Blut übergegangen. Hilft das nicht auch, wenn daheim ein Gesteckle entstehen soll? Ja natürlich.
Rund 40 000 Besucher
werden mittlerweile gezählt
An diesem ersten Donnerstag haben knapp 35 Helferinnen mit dem Binden der über hundert Meter Metallbögen sowie der 25 Meter langen Girlanden begonnen. Bereits am Freitag und am Wochenende wurden der erste großen Bogen und die Krone am Brunnen befestigt, und es war noch so viel zu tun. Im vergangenen Jahr leisteten insgesamt 65 Personen 1200 Arbeitsstunden allein für den Aufbau, diese Zahlen wurden heuer mit Sicherheit wieder erreicht. Wie sagte Iris Jekel dieser Tage: „Im Beruf werden 35, 40 oder auch 45 Wochenstunden gearbeitet; in dieser einen Woche arbeiten viele Schechinger ehrenamtlich zwischen 40 und 80 Stunden.“ Sie alle wissen, dass ohne ihre Hilfe an einen Osterbrunnen nicht zu denken wäre, der immerhin der schönste und größte ist in ganz Baden-​Württemberg und der mittlerweile im Schnitt 40 000 Besucher lockt.
Es ist ja nicht nur die Aufbauwoche, die Arbeit macht. Einige hundert Kuchenspenderinnen finden sich jedes Jahr; zu sagen, dass sich der halbe Ort beteiligt, ist sicherlich nicht übertrieben. Vor allem entstehen alle Jahre wieder neue Schmuckstücke in Hühner-​, Gänse– oder Straußeneiform. 778 neue Eier wurden seit dem Herbst des vergangenen Jahres in rund 1600 Malstunden osterbrunnentauglich gemacht — im Bürgersaal aber auch in Heimarbeit. Es gibt wie immer jede Menge biblische und kirchliche Motive wie das letzte Abendmahl, den Einzug in Jerusalem, viele Osterthemen sowie allerlei Heiligendarstellungen. Außerdem eine bemerkenswerte Vielfalt an Tieren, Blumen und Ornamenten. Jedes Jahr entstehen neue Themenbögen: Kreuzweg, „Alles rund ums Bier“, Kindermotive mit Märchen und Comics, Historische Werbung, Hummelfiguren, allerlei Sprüche und vieles andere mehr. Die Ostalb hat stets einen Ehrenplatz: Die schönsten Schlösser und Rathäuser und Kirchen sind zu sehen, Persönlichkeiten wie Landrat Pavel und Schechingens Bürgermeister Werner Jekel aber auch Schwester Friedburga bei ihrer Arbeit in Tansania. Ein bisschen wehmütig werden heuer die „Berufe“ platziert, bis hin zu den Feuerwehrleuten vor einem brennenden Haus; der Schöpfer dieser Eier, Willi Schmid, ist im April letzten Jahres gestorben.
Der Themenbogen 2011
widmet sich den Künstlern
Ganz neu in diesem Jahr sind die Kunst-​Eier. Am „Künstlerbogen“ sind Chagall und Van Gogh verewigt, Monet und Miró, Picasso, Hundertwasser, aber auch Rosina Wachtmeisters Katzen und die Sarah Kay ihrer Mädchentage. Einiges davon hat Schechingens Freizeitkünstlerinnen wirklich alles abverlangt. Anderes ließ sie kichern wie Backfische, etwa wenn sie nach vielen Stunden konzentrierten Pinselns plötzlich bemerken, dass sie auf dem Original-​Werk „Frau mit drei Haaren umgeben von Vögeln in der Nacht“ weder eine Frau erkennen noch Vögel. Und Nacht ist es auch nicht. Dann finden sie auch den Singenden Fisch witzig — in dieser Verfassung sind die surrealistischen Phantasien eines Miró ganz weit weg -, oder dass die „blaue Flasche“ eindeutig grün ist.
Ja, das Ganze kostet Zeit und Kraft. Aber es macht auch unglaublich viel Freude.

Am kommenden Samstag, 9. April, beginnt um 14.30 Uhr die Präsentation des neuen Schechinger Osterbrunnens, der bis zum 28. April zu sehen sein wird. Musikverein, beide Kindergärten, der Kinderchor und der Hauptchor des Gesangvereins wirken an der Eröffnung mit.
Außerdem werden die neuen Rathausbänkchen von Otto Müller durch ein Lied von Hansi Brenner der Öffentlichkeit übergeben — passend zum neuen
behindertengerechten
Aufgang am Rathaus.