Bürgschaftliches Engagement im Mögglinger Michelehaus

Ostalb

Rems-Zeitung

Die „Arbeitsgruppe Pfarrscheuer“, die sich beharrlich und mit großem Engagement um den Ausbau und die Einrichtung der Pfarrscheuer und des Micheleshauses kümmert, lebt die Achtung vor der Vergangenheit, ohne die Zukunft so viel ärmer ist.

Dienstag, 28. Juni 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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MÖGGLINGEN (bt). Mit dabei sind Claudia Eiberger, Elisabeth Schubert, Dieter und Katharina Bäuerle, Sigrid und Michael Leschinski, Otto Eberhard, Vijaya Gopalan, Rolf Martin und Hans Stock. Auch Thea Bellanger und Hermann Funk haben sich um Pfarrscheuer und Micheleshaus verdient gemacht. Letzteres wird mittlerweile dringend benötigt, weil die Pfarrscheuer längst nicht mehr alle Zeugnisse der Vergangenheit aufnehmen kann. Ganze Werkstatteinrichtungen sind erhalten, etwa die Werkzeugsammlung der Sattlerwerkstatt Lang-​Kurz und des Gemischtwarenhandels Besenfelder.
Alles, was das Leben und Sterben einst ausmachte, ist nunmehr vorhanden, darunter Dinge, die längst in Vergessenheit geraden sind, wie die Putzmaschine, die das Spreu vom Weizen trennte. Immer Neues kommt hinzu, wie erst jüngst aus Iggingen ein besonders schöner Perlenkranz, der ein gläsernes Christus-​Medaillon selbst im tiefsten Winter mit Kunstblüten schmückt. Überhaupt sind die Zeugnisse früherer Volksfrömmigkeit faszinierend – die Kreuzigungsgruppe etwa, die einst zu Prozessionen durch den Ort getragen wurde, wobei der Saft von Roter Beete dem Gekreuzigten wie Blut aus der Wunde floss. Immer neue Familien– und Firmengeschichten kommen hinzu. So wird an das Dampfziegelwerk erinnert: Nachdem sich der Plan, aus Schiefer Öl zu gewinnen, nicht verwirklichen ließ, wurden bei der heutigen Hühnerfarm Oesterle Bausteine aus ausgepresstem, zermahlenem Schiefer hergestellt. Auch die Stickerei Aubele kommt wieder zu Ehren, und die Firma Scheuing mit ihrer Wäsche-​Kollektion „Eva“, die einst rund 150 Mitarbeiter beschäftigte.
Das Micheleshaus ist der perfekte Rahmen für all diese Fundstücke, unter anderem der räumlichen Nähe zur Pfarrscheuer wegen. Die Freiwilligen sprechen lächelnd von ihrer „Museumsinsel“, schließlich wird die Häusergruppe von zwei – mittlerweile verdolten – Armen der Lauter und vom Mühlbach umschlossen. Und dann ist da natürlich noch die Geschichte dieses Hauses, die es zu etwas Besonderem macht. Von 1513, als Pfarrer Peter Sturm einzog, bis 1755 diente es der Geistlichkeit; dann schuf Gmünds großer Barock-​Stadtbaumeister Johann M. Keller ein neues Pfarrhaus. Schultheißen zogen nun in der Pfarrgasse 3 ein, Tagelöhner, ein Schmid, ein Söldner und zuletzt Bauern. Viele Jahrzehnte lebte Michael Kolb hier, ein Bauer, auf den der Name Micheleshaus zurückgeht. Von 1922 bis 2006 war Paula Zaiss geborene Schweizer die letzte Bewohnerin. Die Gemeinde Mögglingen hat die Chance genutzt, dieses typische Mögglinger Wohn– und Bauernhaus, in dem alles unter einem Dach vereint war, für die Nachwelt zu erhalten. Anhand alter Baubeschreibungen lässt sich detailliert sagen, wie „Tenne, Heubarn und Bakküche“ beschaffen war, was aus Riegelwerk bestand und was getäfert war. Bei der Restaurierung wurde und wird sorgsam darauf geachtet, die typischen Merkmale so authentisch wie möglich zu erhalten. Was war das für eine Arbeit, all den Estrich– und Rigips durch uralte Bodendielen, Holzvertäfelungen und das restaurierte Original-​Fachwerk zu ersetzen, Wand– und Deckenverkleidungen anzufertigen oder nach den originalen Mustern des Hauses Kreuzstockfenster einzubauen. Bei einem Durchbruch zur Backstube mit dem Holzbackofen, in dem bis zu 16 Fladen Platz haben, wurde mit neuem Fachwerk ein Kompromiss gefunden. Derzeit wird der morsche Holzboden auf der „Bühne“ durch Holz aus dem Gmünder Bahnhofhotel und durch umgearbeitete ausrangierte Mögglinger Kirchenbänke ersetzt.
Erstaunlich, wie sehr sich das Micheleshaus dazu eignet, Gäste zu empfangen und zu bewirten und auf eine Zeitreise mitzunehmen. Eine echte Bereicherung.