Ein Raumschiff im Heubacher Wohnhaus: Der 27-​jährige Regisseur Dorian Schmid drehte seine Abschlussarbeit für die Filmhochschule in seiner Heimatstadt

Ostalb

Rems-Zeitung

In München hat Dorian Schmid sein Handwerk als Regisseur gelernt. Seine Abschlussarbeit hat der Heubacher in seiner Heimatstadt gedreht – ein atmosphärisch sehr dichter Film, der auf den ersten Blick dem Action-​Genre zugerechnet wird, sich aber durch seinen Tiefgang und philosophische Fragestellungen davon abhebt.

Donnerstag, 07. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
311 Sekunden Lesedauer

Von Gerold Bauer
HEUBACH. Für den Regisseur bedeutete die Produktion dieses Films, mit dem Titel „AD ASTRA“ (lat. „Zu den Sternen“), gleichzeitig auch das Ende seines Studiums an der „Makromedia Hochschule für Medien und Kommunikation“ in München und die einstweilige Rückkehr nach Heubach – um zukünftig von hier aus an Projekten in Stuttgart mitzuwirken und eigene neue Projekte vorzubereiten.
Um den Film im September in Heubach zu drehen, wurde das Privathaus der Familie Schmid gleichermaßen zum Set und zum „Hotel“ für die zeitweise bis 23-​köpfige Crew. Aus dem Korridor wurde mit Hilfe von Kulissen ein Raumschiff (in München vorgefertigt und mit einem Lkw der Fa. Renz zur Montage nach Heubach transportiert). Da es dort genauso eng zuging, wie in einem echten Raumschiff, stand nicht zuletzt der Kameramann vor einer besonderen Herausforderung, um immer den richtigen Standort für den passenden Aufnahmewinkel zu finden.
Doch diese Hürde wurde mit Bravour gemeistert, denn das Wechseln zwischen ungewöhnlichen Perspektiven und Detailaufnahmen sorgt neben der Handlung für Spannung beim Betrachten der Bildsequenzen. Auch wenn die Schnitte nicht so extrem rasant sind, wie in modernen Action-​Filmen üblich, ist die Abschlussarbeit von Dorian Schmid (Regie und Drehbuch) sowie Marko Roeder (Kamera) alles andere als ein episches Erzählkino. Die „Pre Title Sequenz“ – die übrigens erst ganz am Ende der Dreharbeiten entstand – zeigt wohl am deutlichsten, welches Potenzial sowohl im Regisseur als auch im Kameramann steckt und erinnert von der Ausdruckskraft her an die berühmte erste Szene im Kult-​Western „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Im Hinblick auf das Sponsoring konnte der junge Filmemacher seinen „Heimvorteil“ am Drehort Heubach nutzen. Viele Unternehmen aus Heubach und der näheren Umgebung haben die Produktion finanziell oder durch kostenlose Überlassung von Utensilien, Fahrzeugen oder Lokalitäten unterstützt. Hinzu kam die unentgeltliche Mitarbeit von Schauspielern und Technikern. „Stellvertretend für alle denen wir zu Dank verpflichtet sind wollen wir uns speziell bei Kurt Baumann sen. bedanken, in dessen Lkw-​Garage wir drehen durften – ohne ihm eine angemessene Gegenleistung anbieten zu können.“
Als sehr vorteilhaft hat sich auch die Kooperation mit Bernd Richters Lichttechnik-​Firma in Heubach erwiesen, denn dessen Lichtelemente konnte die Stimmung im Innern eines Raumschiffs besser erzeugen als die großen Studio-​Scheinwerfer aus dem Fundus der Filmhochschule. Dass auch Tontechniker Dominik Nehm (tätig in der Stuttgarter Liederhalle) und Kulissen-​Schreiner Herbert Klein (gelernter Modellbauer und angehender Ingenieur) „alte“ Heubacher sind, macht den Film „AD ASTRA“ zu einer echten Heubacher Produktion.
„Hätte man wirklich alle Leistungen und Materialien regulär bezahlen müssen, hätte mein Film wohl deutlich über 100 000 Euro gekostet“, freut sich Dorian Schmid über die tolle Unterstützung durch Geschäftsleute, Kollegen und Familienmitglieder. „Der Zuschuss meiner Hochschule für die Produktion einer Abschlussarbeit beschränkt sich auf 1000 Euro“. Trotz der vielseitigen Unterstützung musste der demnächst 28-​jährige Dorian Schmid noch einen stattlichen Betrag aus dem Privatvermögen beisteuern, möchte sich über die Höhe dieses Betrags aber nicht öffentlich äußern. Für ihn war einfach klar, dass man zunächst etwas bringen muss, bevor man sich in der Filmwelt ein Stück vom Kuchen abschneiden darf. „Dieser Film ist meine Visitenkarte, mit der ich mich nun als freiberuflicher Regisseur um Aufträge bewerbe“, macht er deutlich, warum er seine Abschlussarbeit mit einem für studentische Verhältnisse eher ungewöhnlichen Aufwand produziert hat.
Vom Genre her will der Film „AD ASTRA“ anspruchsvolle Unterhaltung für Teenager und junge Erwachsene bieten und befasst sich deshalb auch mit Themen aus der Gefühlswelt dieser Altersgruppe. Allein durch den Prozess des Aufwachsens hat diese Zielgruppe meistens gerade größere Veränderungen ihres Körpers und der Seele durchgemacht und damit begonnen, sich mit ihrer Sexualität auseinanderzusetzen. Dieses Publikum hat eine Menge Fragen: Was macht unsere Persönlichkeit aus? Sind es die Gene? Ist es kulturelle Prägung der Umgebung?
In „AD ASTRA“ unternimmt der Regisseur den Versuch, Antworten auf manche dieser philosophischen Fragen zu finden – verpackt in einen optisch ansprechenden und unterhaltenden Kurzfilm. Das Drehbuch hat Dorian Schmid selbst geschrieben. Lange suchen musste er nach einem geeigneten Stoff nicht, denn die Idee dazu hatte er schon vor einigen Jahren. Damals studierte der junge Heubacher in München noch Philosophie und hatte vor, anstelle einer wissenschaftlichen Abhandlung seine Semesterarbeit als fiktive Geschichte zu schreiben, in der philosophische Fragen aus dem Kurs aufgegriffen und beantwortet werden.
Aufgrund des Wechsel von der philosophischen Fakultät auf die Makromedia-​Hochschule wurde diese Arbeit aber nie geschrieben – und die Gedanken warteten quasi in der Schublade darauf, irgendwann doch noch aufgearbeitet zu werden. „AD ASTRA“ ist die Geschichte eines männlichen Replikanten (leidenschaftlich gespielt von Raphael Hillebrand aus Berlin), der mit der Erinnerung an ein Leben als Frau an Bord eines Raumschiffes erwacht. Beim Erkunden des Schiffes stößt er auf die unterkühlt agierende Marlene Keppler (diese Rolle verkörpert die Münchnerin Gabriele König), die sowohl seine Schöpferin als auch die Frau ist, deren Erinnerungen er in sich trägt. Er findet heraus dass es Marlene war, die ihn erschaffen hat – nachdem sie die restliche Besatzung ausgelöscht hat. Er beginnt, sie zu hassen, obwohl sein Handeln noch immer von ihren Erinnerungen und ehemaligen Wertvorstellungen geprägt ist. Allerdings jenen Wertvorstellungen, die Marlene nach dem Tod der Besatzung aufgegeben hatte. Er weigert sich mit ihr zu kooperieren, da sie völlig selbstherrlich agiert und ihm an Bord keinerlei Rechte einräumt. Selbst das Recht auf Nahrung knüpft sie an Bedingungen. Um zurück nach Hause zu gelangen, braucht sie seine Hilfe, die er ihr jedoch verweigert, solange sie versucht Macht über ihn auszuüben. Schaffen sie es trotz dieser Konflikte gemeinsam nach Hause?
Wer eine Antwort auf diese Frage haben möchte, sollte am 6. August ins Gmünder Turm-​Theater kommen. Um 19 Uhr beginnt dort die Vorführung des Kurzfilms, und natürlich ist der Regisseur persönlich dabei. Erstmals zu sehen ist der Streifen am 30. Juli an der Hochschule im Rahmen der Werkschau studentischer Arbeiten.
Wenn der Film in Gmünd gezeigt wird, hat der junge Heubacher bereits seinen ersten Job als Regisseur angetreten. Seine Ader für das Metier „Film und Fernsehen“ hat Dorian Schmid (seine Mutter Regina war früher Kulturbeauftragte der Stadt Heubach) im Internat im Schwarzwald entdeckt. Dort gab es nämlich ein Schulfernsehprogramm, das im schuleigenen Studio von Schülern ab der 9. Klasse produziert wurde. „Immer wieder hatten wir dabei auch Kontakt zu Profis, die mich damals mit ihrer professionellen Schnoddrigkeit sehr beeindruckt haben“, erinnert sich Schmid im Gespräch mit der Rems-​Zeitung.
Weil er schon als Jugendlicher gerne fotografierte, hatten es ihm die Kameramänner besonders angetan. Auch heute noch macht er gerne selbst Aufnahmen; als Studienschwerpunkt hat er sich aber ganz bewusst das Fach „Regie“ ausgesucht. „Mein leider früh verstorbener Vater war als selbstständiger Unternehmer in dieser Hinsicht mein Vorbild. Er hat mir vorgelebt, wie man die Fäden in der Hand hält, damit ein Projekt am Ende genau so wird, wie man es sich vorstellt.“
Nach dem Abitur absolvierte Dorian Schmid seinen Wehrdienst, machte in Ludwigsburg Filmpraktika, studierte eine Zeit lang Philosophie und hat schließlich sein Filmstudium (Film und Fernsehen mit Spezialisierung auf Regie) als „Bachelor of Arts“ erfolgreich abgeschlossen. Das damals noch nicht in der heutigen Form perfektionierte Material von „AD ASTRA“ wurde mit „sehr gut“ bewertet.
„AD ASTRA“ ist übrigens schon der zweite Film, den Dorian Schmid in Gmünd präsentiert. Im Jahr 2006 zeigte er im KKF sein Werk „Prizren, Transit Road“ – einen Dokumentarfilm über die vom Balkankrieg geprägte Region Kosovo (die Rems-​Zeitung hatte seinerzeit darüber ausführlich berichtet).