Volkstrauertag in den Städten und Gemeinden: Premiere in Leinzell.

Ostalb

Rems-Zeitung

Sowohl die evangelische und katholische Kirchengemeinde, als auch die bürgerlichen Gemeinden Leinzell und Göggingen erinnerten in einer Feier in Leinzell an die Opfer der beiden Weltkriege und begingen so erstmals gemeinsam den Volkstrauertag. Auch in anderen Städten und Gemeinden wurde der Verstorbenen gedacht — in Heubach ebenso wie Alfdorf oder Lorch.

Sonntag, 18. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
141 Sekunden Lesedauer


Von Dorothee Wörner
LEINZELL /​GÖGGINGEN. „Wir leben vorwärts und nicht rückwärts“, mit diesen Worten begann eine Schülergruppe der Realschule den ökumenischen Gottesdienst in der St.-Georgs-Kirche. Und so richtete sich der Blick nicht nur auf die vergangenen Kriege mit ihrem Leid: Beim Gesang des israelischen Friedensliedes „Shalom chaverim“ gab es für viele Gottesdienstbesucher wohl unwillkürlich einen Bezug zu den kriegerischen Auseinandersetzung der jüngsten Tage zwischen Israel und der Hamas. „Schon wieder werden im Nahen Osten kleine Hoffnungslichter ausgetreten“ bemerkte dazu auch Pfarrer Uwe Bauer.
Die Schülerinnen und Schüler erinnerten in ihrer Einführung daran, dass die Menschen in Deutschland zwar seit über sechs Jahrzehnten in Frieden leben, aber man dürfe nicht denken „weil wir hier in Frieden leben, geht uns Krieg nichts mehr an.“ Die vielen Konflikte weltweit zeigten, dass Frieden zu bewahren „mit uns heute zu tun hat“. Pfarrer Bernhard Weiß freute sich über die große Gemeinschaft, die sich zum Gottesdienst eingefunden hatte, und dankte den Schülerinnen und Schülern der Realschule für ihre musikalische Mitwirkung und verschiedenen Wortbeiträgen. Auch er erinnerte an Not und Vertreibung, die zu wichtig seien, als dass man ihrer in einer stillen Stunde auf dem Friedhof gedenke. Mit dem „Versöhnungsgebet von Coventry“ leitete er über in ein Anspiel der Jugendlichen, die sich an verschiedenen Stellen im Kirchenraum aufgestellt hatten und von Ungerechtigkeit und Unterdrückung aus allen fünf Erdteilen berichteten. Eine Schülercombo spielte, und vier junge Mädchen sangen das Lied „Du bist dran etwas zu verändern – offene Augen und ein großes Herz helfen aus Leid und Schmerz“. Pfarrer Bauer Uwe Bauer mahnte in seiner Predigt „Wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligen“, und er sprach davon, dass Deutschland eingebunden sei in Verträge, die Einsätze in Kriegsgebieten forderten, ebenso als Waffenexporteur wirtschaftlich von kriegerischen Auseinandersetzungen profitiere. „Von Deutschland soll kein Krieg mehr ausgehen, aber ob das schon Frieden ist“, zweifelte er und meinte weiter: „Wer den Krieg nicht will, muss am Frieden arbeiten“. Gerechtigkeit und nicht Selbstgerechtigkeit müsse gesucht werden, damit einher gehe Barmherzigkeit ohne Berechnung. In die Fürbittgebete wurden alle Krisengebiete mit eingeschlossen.
Kranzniederlegung und eine ganz besondere Kurzgeschichte
Anschließend führte ein Zug der Gottesdienstbesucher aus der Kirche hinaus zur Gedenkstätte auf dem Leinzeller Friedhof. Die Fahnenabordnungen der Vereine aus Göggingen und Leinzell und die Feuerwehr umrahmten an dieser Stelle die Ansprachen der beiden Bürgermeister. Zuvor erzählte der junge Julian Kugler eine Kurzgeschichte, nach der es unmöglich war, Krieg zu führen, weil man das Glück einer Familie nicht zerstören wollte. Bürgermeister Walter Weber las aus den erschütternden Briefen eines 19-​jährigen Soldaten an seine Eltern, die den letzten Brief erhielten kurz bevor er an der Front fiel. Und auch wenn genau in diesem Moment die Sonne alles in goldenes Herbstlicht tauchte, hatte das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“ gespielt durch den Musikverein Leinzell etwas Bedrückendes. Von der Hoffnung, dass es eine Welt geben möge ohne Konflikte, sprach Bürgermeister Ralph Leischner, erinnerte aber auch an die Bundeswehrsoldaten und Einsatzkräfte, die sich für Deutschland in Auslandseinsätzen befinden. „Wir denken an sie und ihre Familien.“ Die Feier bei der erstmals alle Generationen mit einbezogen wurden, wurde auch von Auftritten des Männergesangvereins Frohsinn Leinzell umrahmt.