„Made in Germany“ gefährdet?

Ostalb

Rems-Zeitung

Medienberichte über eine Neufassung des Ursprungsrechts, die von derEU-​Kommission geplant ist, haben bei exportorientierten Unternehmen Irritationen ausgelöst. Es wird befürchtet, dass im Zuge dieser Neufassung das „Made in Germany“ gefährdet ist. Das war das zentrale Thema der Sitzung des IHK-​Außenwirtschaftsausschusses.

Freitag, 16. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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OSTWÜRTTEMBERG (ihk). „Vor allem kommt mehr Bürokratie auf die Unternehmen zu“, so Ausschussvorsitzender Heinrich P. Röhm. Wenn ein Unternehmen bei seiner IHK ein Ursprungszeugnis beantragt, weil das Importland ein solches verlangt, dann genügt es zur Zeit, dass es nachweist, dass die letzte wesentliche Be– oder Verarbeitung der Ware in Deutschland stattgefunden hat. Die „Wesentlichkeit“ besteht darin, dass ein neues Produkt geschaffen wurde oder dass die letzte Bearbeitung eine bedeutende Herstellungsstufe dargestellt hat. „Es ist – von Ausnahmen abgesehen – relativ einfach und unkompliziert und unbürokratisch handhabbar, den sogenannten handelspolitischen Ursprung, den das IHK-​Ursprungszeugnis verbrieft, zu ermitteln“, so Günther Bauer, IHK-​Geschäftsfeldleiter International.
„In Zukunft wird es schwieriger. Es gilt zwar weiterhin der Grundsatz der letzten wesentlichen Be– oder Verarbeitung für die Ursprungsbestimmung einer Ware, aber die „Wesentlichkeit“ wird durch komplizierte Listenregeln bestimmt“, so Bauer. Um den Ursprung einer Ware ermitteln zu können, muss dann das Unternehmen der IHK den Wert der Vorprodukte und den eigenen Preis mitteilen, oft auch noch weitere Informationen geben.
„Eigentlich hat das neue Ursprungsrecht, wenn es denn kommt, mit „Made in Germany“ gar nichts zu tun, denn beim „Made in …“ handelt es sich nicht um den handelspolitischen Ursprung, wie beim IHK-​Zeugnis, sondern den verbraucherorientierten Ursprungsbegriff des Wettbewerbs– und Markenrechts“, erläutert Bauer. Aber – und da ist der IHK-​Ursprungsexperte mit den Unternehmen einig – könne es zu „Kollateralschäden“ führen, wie er es ausdrückt. Denn viele Länder, in die die deutsche Wirtschaft exportiert, verwechseln den wettbewerbsrechtlichen und den handelspolitischen Ursprung miteinander oder behandeln ihn – fälschlicherweise – gleich. „Wenn dem US-​Zöllner beim Import ein IHK-​Ursprungszeugnis mit der Ursprungsangabe „Tunesien“ vorliegt und auf meiner Ware „Made in Germany“ steht, dann nützt es mir nichts, dass das korrekt ist; der Zöllner versteht das nicht“, so ein Ausschussmitglied. Dann bliebe die Ware im Zoll hängen oder würde gar vernichtet werden. Die Wirtschaftsverbände, allen voran der Deutsche Industrie– und Handelskammertag, versuchen daher, die Einführung des neuen Ursprungsrechts zu verhindern. Auch deshalb, weil dieses Bürokratiemonster niemandem nützt.
Der Ausschuss beschäftigte sich auch mit der Tatsache, dass die IHK neuerdings gezwungen ist, bei allen Außenhandelsdokumenten, die ihr von den Unternehmen zur Beglaubigung vorgelegt werden, die Personen und Institutionen, die im jeweiligen Dokument genannten sind, anhand der EU-​Antiterrorlisten zu überprüfen. „Unser Qualitätsstandard ist, Bescheinigungen in der Regel innerhalb von fünf Minuten zu erteilen“, so Günther Bauer. „Das können wir jetzt vergessen.“
Ein weiteres Thema waren die staatlichen Exportförderprogramme und Finanzierungsmöglichkeiten. Sonja Roßwinkel, Firmenberaterin für Exportkreditgarantien des Bundes, informierte über die breite Förderpalette der Euler Hermes Kreditversicherungs-​AG und zeigte, dass, Euler Hermes nicht nur für „die Großen“ da ist. Ferner informierte sie über die Unterstützung bei Direktinvestitionen im Ausland und wie diese langfristig abgesichert werden können.