Böbinger Kunstfahrer bewunderten die Schutzmantelmadonna

Ostalb

Rems-Zeitung

Die Böbinger Kunstfahrer bewunderten die Schutzmantelmadonna von Hans Holbein im Rahmen eines Besuchs in der Sammlung Würth in Hall.

Mittwoch, 28. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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BÖBINGEN (af). Schon seit geraumer Zeit würdigen die Kulturseiten der großen Zeitungen enthusiastisch, dass derzeit in der Johanniskirche Schwäbisch Hall die „Schutzmantelmadonna“ von Hans Holbein d. J. zu sehen ist. Zählt sie doch zweifelsohne zu den schönsten Altmeistergemälden der Welt.
Was lag es also für die Böbinger Kunstfans näher, als dieses Kunstwerk selbst in Augenschein zu nehmen, zumal Schwäbisch Hall in erreichbarer Nähe liegt. Natürlich war es Ehrensache, als Gruppe mit der Bahn anzureisen – hat dies doch schon von der ersten Fahrt an Tradition. Wenn sich dann noch das reizvolle Kocherstädtchen Schwäbisch Hall in der wolkenlosen Frühlingssonne von seiner besten Seite präsentiert, waren eigentlich alle Voraussetzungen für einen wunderschönen, erlebnisreichen Tag gegeben.
Die achtzehnköpfige Gruppe wurde in der Johanniskirche gleich beim Eintreffen von der dortigen Kunstführerin, Frau Angelmaier, in Empfang genommen und zunächst in Kürze ins Bild gebracht, dass es dem Kunstmäzen Reinhold Würth zu verdanken ist, dass die Johanniterkirche im November 2008 als Museum für spätmittelalterliche und neuzeitliche Kunst wiedereröffnet wurde.
Den zentralen Kernbestand der dortigen Kunstsammlung bildet der 2003 von der Familie Würth erworbene ehemals Fürstlich Fürstenbergische Bilderschatz Donaueschingen. So zum Beispiel zahlreiche Tafelbilder des Meisters von Meßkirch oder von Lucas Cranach d. Ä. Im Reigen dieser herausragenden Meisterwerke des ausgehenden Mittelalters findet nun die „Schutzmantelmadonna“ ihren würdigen, angemessenen Platz.
Frau Angelmaier erwies sich im Folgenden als äußerst kompetente Expertin, die die Auftragsvergabe durch den damaligen Baseler Bürgermeister Jacob Meyer zum Hasen lebendig werden ließ. Mit freundlicher Süffisanz ließ sie an dieser Stelle wissen, dass dieser Stifter sich zwar knieend , aber doch in fast voller Lebensgröße unter dem Schutzmantel der Madonna abbilden ließ. Für die damaligen Verhältnisse absolut ungebührlich! Ihr gelang es auch, durch ihre zupackende, kenntnisreiche, weitere Schilderung der künstlerischen Darstellung nachvollziehbar zu machen, warum die „Schutzmantelmadonna“ zu den berühmtesten, bedeutendsten und ohne Zweifel schönsten Gemälden des 16. Jahrhunderts zählt und von den Kunstkennern auf eine Stufe mit der Sixtinischen Madonna von Raffael gestellt wird.
Insbesondere war es Frau Angelmaier ein besonderes Anliegen, nicht nur die künstlerische Schönheit des Bildes zu würdigen, sondern auch durch mannigfache Einzelbelege die vielfältigen Symbolaussagen, die in dem Kunstwerk versteckt sind, herauszuarbeiten. Zudem gelang es ihr mustergültig, an zentralen Bildaussagen deutlich zu machen, wie bei Holbein die bewusste Auseinandersetzung des zu Ende gehenden Mittelalters mit der beginnenden Neuzeit stattfindet, zum Beispiel in der Ablösung einer starren, hierarchisch gegliederten Gesellschaftsordnung hin zu einer immer deutlicher werdenden Hinwendung zum selbstbestimmten Individuum. Es wäre nun unverzeihlich gewesen, nach diesem nachhaltigen Kunsterlebnis in der Johanniterkirche unvermittelt die sofortige Rückreise nach Böbingen anzutreten. Dagegen sprach selbstverständlich das ehemalige Salzsiederstädtchen Schwäbisch Hall selbst; ein Städtchen, das mit seinem reizvollen mittelalterlichen Stadtbild, seiner einmaligen Lage im Kochertal, seinen romantischen Plätzen und Gässchen, einfach zu einem ausgedehnten Stadtbummel aufforderte, inclusive eines gerne wahrgenommenen Cafebesuches im Freien. Und wem auch dies noch nicht reichte, – die Zeitplanung dieses Kunsttages ließ auch hierfür Raum und Zeit – , konnte – als I-​Tüpfelchen – sich noch die derzeitige Kunstausstellung „Waldeslust“ in der Kunsthalle Würth gönnen.

Verraten sei auch , wohin die nächste, die15. Kunstfahrt führt: am 5.Mai nach Stuttgart, zur Ausstellung „Turner, Monet und Twombly“.