Sieben Schlecker-​Märkte im Gmünder Raum vor dem endgültigen Aus

Ostalb

Rems-Zeitung

Nach der Schließung der Filialen in Straßdorf, Bargau und Heubach blieb Schlecker im Gmünder Raum mit sieben Drogeriemärkten, zwei XL-​Märkten und der Gmünder „Ihr Platz“-Filiale präsent. Die Schließung der sieben Märkte ist seit gestern beschlossene Sache, während für „Schlecker XL“ noch Hoffnung besteht, als „Ihr Platz“-Filialen weiter zu bestehen.

Samstag, 02. Juni 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
248 Sekunden Lesedauer


Von Gerold Bauer
SCHWÄBISCH GMÜND /​OSTALBKREIS. Der Ehinger Unternehmer war einer der ersten, die im Gmünder Raum ein großflächiges Supermarkt-​Angebot etablierten. Sein „SB-​Warenhaus“ (SB stand dabei für Selbstbedienung) in Hussenhofen bot ab den 70er-​Jahren von Lebensmitteln, Fleisch– und Backwaren über Bekleidung, Werkzeuge, Fahrräder, Spielwaren, Schallplatten, Camping-​Bedarf, Möbeln Haushaltsgeräten und Elektro-​Artikeln den Kunden im Gmünder Raum eine bis dato nicht unter einem Dach vorhandene Produktpalette. Und dies zu Preisen, bei denen die herkömmlichen Gemischtwarenläden in den Stadtteilen und Landgemeinden nicht einmal annähernd mithalten konnten. Jene mussten ihre Waren zum Teil teurer einkaufen, als die gleichen Produkte bei Schlecker im Regal ausgezeichnet waren. Es kam sogar vor, dass kleine Händler bei Schlecker einkauften und die Waren dann im eigenen Laden mit einem Aufschlag anboten.
Mit der fortschreitenden Motorisierung hatte ab den 70er-​Jahren nahezu jede Familie ein Auto zur Verfügung, und so pilgerte man in der Zeit vor Aldi, Lidl und Norma zum Großeinkauf zu Schlecker nach Hussenhofen. Die meisten kleinen Geschäfte im ländlichen Raum konnten sich aufgrund der Konkurrenz durch die Discounter im Laufe der Jahrzehnte nicht halten. Das „SB-​Warenhaus Schlecker“ in Hussenhofen gibt es freilich inzwischen auch nicht mehr — es wurde von „Kaufland“ übernommen und wird unter diesem Namen weiter geführt.
Schlecker hat sich in den
70er-​Jahren mit dem
SB-​Warenhaus im Raum
Schwäbisch Gmünd etabliert
Ob es eine Ironie des Schicksals oder das Ergebnis eine langfristig orientierten Marketing-​Strategie war, wird wohl kaum zu beantworten sein. Doch Jahrzehnte nach der Eröffnung seines Warenhauses besetzte der Schlecker-​Konzern in Form seiner Drogerie-​Märkte gerade in den Stadtteilen und Landgemeinden jene Nische, die einst den „Tante-​Emma-​Läden“ ihre Existenz gesichert hatte. Mit einem Warensortiment, das speziell auf den wohnortnahen Einkauf zugeschnitten war — vom Waschmittel über Geschenkartikel bis hin zu Tierfutter und einem kleinen Angebot an Lebensmitteln. Im ländlichen Raum bekam Schlecker jedoch durch die Penny-​, Aldi– und Lidl-​Discountmärkte sowie EDEKA und REWE mit umfangreichem Drogerieartikel-​Sortiment eine immer massivere Konkurrenz — womit sich der Kreis schloss.
Die klassischen Schlecker-​Drogeriemärkte gibt es derzeit noch in Mutlangen, Lindach, Durlangen, Gschwend, Alfdorf, Lorch und Böbingen. Die Filialen in Göggingen und Waldstetten waren schon vor geraumer Zeit in so genannten „Schlecker XL“-Märkte umgewandelt worden und verfügten über eine größere Verkaufsfläche und ein umfangreicheres Sortiment. Für diese beiden Geschäfte scheint es auch eine neue Zukunft als Teil der Schlecker-​Tochter „Ihr Platz“ zu geben. Der „Ihr Platz“-Kette waren im Zuge des Schlecker-​Insolvenzverfahrens von Anfang an gute Weiterführungschancen eingeräumt worden.
Für die Beschäftigten der sieben klassischen Märkte im Gmünder Raum hingegen sieht es nach der gestrigen Entscheidung hingegen düster aus. Die in der Regel weiblichen Mitarbeiter wurden über die Schließung und die bevorstehenden Kündigungen per Fax informiert, erfuhr der Rems-​Zeitung in Filialen vor Ort. Offenbar wird den langjährigen Mitarbeitern eine längere Kündigungsfrist eingeräumt als Frauen, die noch nicht so lange dabei sind.
„Der Gläubigerausschuss der Drogeriemarktkette Schlecker sieht nach der heutigen Erörterung der Sachlage keine Perspektive für die wirtschaftlich vertretbare Fortführung von Schlecker oder die Veräußerung des Gesamtkonzerns an einen Investor“, war gestern im offiziellen Schlecker-​Blog publiziert worden. „Aus diesem Grund wurde die Zerschlagung des Konzerns beschlossen. Für die Tochtergesellschaften Ihr Platz GmbH (490 Filialen, rund 3990 Mitarbeiter) und Schlecker XL (342 Filialen, rund 1110 Mitarbeiter) GmbH gibt es jedoch eine eigenständige Zukunft“, heißt es auf der Internet-​Plattform des Konzerns weiter. .
Diese Meldung griffen bundesweit die Medien auf und zitierten mehr oder weniger unisono eine Aussage von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz im Hinblick auf die Investoren: „Die Angebote waren nicht akzeptabel, weil sie deutlich unter einer Zerschlagung lagen. Ich bedaure dies im Hinblick auf die vielen, zum Teil langjährigen Schlecker-​Mitarbeiter sehr, die jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren.“
Das Restrukturierungskonzept war laut Geiwitz zwar sehr anspruchsvoll aber grundsätzlich machbar. Allerdings habe er von Anfang an deutlich gemacht, dass eine Sanierung von Schlecker nur gelingen könne, wenn alle Maßnahmen greifen. „Wir haben es geschafft, den Verlust des Unternehmens von über 200 Millionen Euro auf zirka 25 Millionen Euro Verlust zu reduzieren. Das ist einerseits zwar ein großer Erfolg, andererseits aber immer noch ein Verlust – und den darf ein Insolvenzverwalter auf Dauer nicht machen.“ Nicht zuletzt die Personalkosten sowie schlechtere Konditionen der Lieferanten machten es dem Insolvenzverwalter nach eigenen Angaben sehr schwer, sein Sanierungskonzept zu realisieren. Dass rund 4400 entlassene Mitarbeiter(innen) gegen die Kündigung klagen wollen, sei von möglichen Investoren als hohes finanzielles Risiko bewertet worden und habe abschreckend gewirkt.
Nachdem auch der letzte potenzielle Investor, Karstadt-​Eigentümer Nicolas Berggruen, in der Nacht zum Freitag abgesagt hat, bleibt dem Insolvenzverwalter nun nichts mehr übrig als mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und den Sozialplan zu verhandeln. Gleichzeitig wird — wie in der ersten Schließungsphase vor einigen Monaten — in den Schlecker-​Märkten ein Räumungsverkauf stattfinden. Immobilien, die sich noch im Besitz des Konzerns befinden, werden veräußert.
FDP-​Landesvorsitzende
Birgit Homburger nahm beim RZ-​Besuch zum
Thema „Schlecker“ Stellung
Während die Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Schlecker, Christel Hoffmann gestern von einer „menschlichen und sozialen Katastrophe“ sprach, wetterte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske: „Die Politik, insbesondere die FDP, hat mir ihrer Weigerung, einer Bürgschaft für eine Transfergesellschaft zuzustimmen, einer Klageflut Vorschub geleistet, die den Investorenprozess nahezu zerstört hat.“
Dem widersprach die FDP-​Landesvorsitzende Birgit Homburger allerdings mit Vehemenz, als sie während ihres Besuchs in der RZ-​Redaktion (siehe Seite 19) auf das Thema angesprochen wurde. „Jetzt kommt es darauf an, den Mitarbeitern mit den Instrumenten des Arbeitsmarktes zu helfen“, sagte die Liberalen-​Politikerin. Es gebe freie Stellen im Einzelhandel, und von den vor sieben Wochen entlassenen Schlecker-Mitarbeiter(innen) seien schon 25 Prozent vermittelt. „Die Gewerkschaft, die auf uns schimpft, sollte sich an die eigene Nase fassen und fragen, was sie bei Schlecker falsch gemacht hat. Jedenfalls können wir ein am Markt gescheitertes Unternehmen nicht mit Steuergeldern retten!“, so Homburger im Gespräch mit den beiden RZ-​Redakteuren Heinz Strohmaier (Chef vom Dienst) und Manfred Laduch.