Sigrid Stöcker: 40 Jahre als freischaffende Künstlerin

Ostalb

Rems-Zeitung

Ihre Kunst hebt sich ab vom Üblichen — und dies hat bei Sigrid Stöcker gleich mehrere Gründe. Der wohl wichtigste: Ihre Gedanken und ihre Phantasie. Hinzu kommen eine solide Ausbildung und Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen. Seit 40 Jahren ist sie als freischaffende Künstlerin erfolgreich.

Freitag, 21. September 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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Gerold Bauer
LEINZELL. Vom 23. September bis zum 7. Oktober zeigt die Künstlerin im Rahmen ihrer Jubiläumsausstellung eine Retrospektive ihres Schaffens aus vier Jahrzehnten. Ihr Atelier liegt am Ortsrand von Leinzell in Richtung Täferrot (Götzenacker 1) und ist während der Ausstellungszeit täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Die Vernissage findet am Samstag, 22. September, um 18.30 Uhr statt. Dabei führt Jürgen Sachweh in die drei– und zweidimensionale Kunstwelt von Sigrid Stöcker ein. Für eine musikalische Umrahmung sorgen Philipp Lang (Bariton) und Michael Hauser (Klavier).
Sigrid Stöcker wurde in Dresden als Kind einer musikalisch und künstlerisch geprägten Familie geboren, wuchs im Schwäbischen auf und ging auch hier zur Schule. Ihre handwerklichen Grundlagen für das Arbeiten mit Ton bekam sie in der Werkstatt von Liselotte Bisang in Schorndorf. „Gedreht wurde damals noch mit Hilfe einer so genannten Fußscheibe“. Vertieft hat sie ihre Ausbildung durch den Besuch der Fachschule für Keramik, die sie mit der Meisterqualifikation abschloss; danach leitete Sigrid Stöcker an der freien Werkschule A.L. Merz in Stuttgart die Werkstatt und unterrichtete Schüler aller Jahrgangsstufen.
Eine Tätigkeit im Landesmuseum in Stuttgart läutete den Beginn einer neuen Phase im Berufsleben von Sigrid Stöcker ein. „Die Museumsarbeit als Restauratorin war für meine berufliche Entwicklung eine große Bereicherung“, sagt die inzwischen 70-​Jährige im Rückblick. Nach dem Wechsel an das Antikenmuseum in Berlin stand die bildhafte Gestaltung der Oberflächen von Vasen und Schalen im Mittelpunkt ihres Schaffens. „Die dabei gedrehten Gefäße brachten mir neue Techniken zur Formgestaltung nahe. Die Nachbildungen römischer Amphoren in allen Größen schulten mein Auge im Erfassen von Konturen“.
Die dritte Phase im Berufsleben von Sigrid Stöcker — die Selbständigkeit — begann anno 1972 mit der Eröffnung ihres eigenen Ateliers in Brackenheim. Zu den Ausstellungs– und Werkstatträumen gehörte auch ein Laden. Der Wechsel von der Angestellten zur freischaffenden Künstlerin wurde auch durch neue gestalterische Techniken markiert. „Die ornamentale Malerei auf Schalen, Tellern und Gefäßen in Reduktionstechnik, sprich durch Brennen ohne Sauerstoff, prägten den Beginn meiner individuellen künstlerischen Arbeit.“ Dazu kam auch die Fayence-​Technik, bei der ein bunter Scherben weiß glasiert und bunt bemalt wird. Unterschiedliche Brenntechniken und Versuche zur Herstellung ganz besonderer Glasuren stellten seinerzeit eine große Herausforderung für Sigrid Stöcker dar. In der Ausstellung sind einige Objekte aus dieser Zeit zu sehen, die durch eine sehr differenzierte Oberfläche auffallen. Ein und dasselbe Gefäß ist stellenweise glänzend und stellenweise matt; Farbverläufe oder marmorartige Effekte erzeugen eine gestalterische Spannung, die ihre Gefäße in den Rang einer Skulptur erheben und immer wieder zum Betrachten einladen. Besonders beim Arbeiten mit Porzellan — geformt und gedreht auf der Scheibe und bis zu viermal gebrannt – wurden Ergebnisse erzielt, die bis heute faszinierend sind.
Weil Kunst dem Menschen viel mehr gibt als nur die Freude beim Betrachten, arbeitete Sigrid Stöcker in Kooperation mit einer Psychologin auch therapeutisch mit Kindern und Erwachsenen. 1978 erfolgte der Umzug von Brackenheim nach Ottenbach am Fuße des Hohenstaufens. Auf einem Einzelhof mit Blick ins Tal und großem Garten eröffneten sich für Sigrid Stöcke neue Lebensräume. Im ehemaligen Kuhstall richtete sie ein Atelier ein und erweiterte das Spektrum ihres Schaffens. Es entstanden nun auch Skulpturen, Kachelöfen, Fließen, Lampen und künstlerische Elemente zur Baugestaltung. In den 80er-​Jahren kam auch das Material Bronze hinzu sowie Silberschmuck und Tierfiguren in Keramik.
Gezeichnet und gemalt hat Sigrid Stöcker für ihre Entwürfe natürlich schon immer, doch Bilder spielen als eigenständiges künstlerisches Terrain erst eine Rolle, seit sie 2003 nach Leinzell zog und in einer von alten Villa ihr neues Atelier einrichtete. Dort gibt sie auch Malkurse.
Musik und Natur sind immer noch die wichtigsten inspirativen Kräfte, die sich über innere Gedanken als Form und Farbe manifestieren. Wenn Sigrid Stöcker auf ihr Leben zurück blickt, sieht sie auch das nicht immer leichte Auf und Ab als freischaffende Künstlerin. „Ich musste ja mit meiner Arbeit das Einkommen für die Familie erwirtschaften und auch die Ausbildung meiner beiden Kinder finanzieren — dies war in manchen Phasen schon eine sehr große Herausforderung!“