SPD-​Basis im Ostalbkreis nimmt Stellung zum Koalitionsvertrag

Ostalb

Rems-Zeitung

25 Prozent der Wählerstimmen bei der Bundestagswahl erzielt und 50 Prozent des Wahlkampfprogrammes im Koalitionsvertrag untergebracht. Diese Erfolgsmeldung war Tenor bei der Vorstellung des Vertrages gestern Abend in Mögglingen. Von der Basis gab es Zustimmung, aber auch Kritik.

Donnerstag, 28. November 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
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MÖGGLINGEN (el). Josef Mischko strahlte sein strahlendstes Lächeln, denn der Saal im Mögglinger Reichsadler war mit den von ihm gewünschten 100 Mitgliedern des SPD-​Kreisverbandes Ostalb gefüllt, zehn Prozent der SPD-​Mitglieder im Kreis. Passend zum Wetter verglich der Kreisvorsitzende in seiner Begrüßung den Koalitionsvertrag mit dem auf den Straßen und Wegen herrschenden Glatteis. So wie dieses Glatteis gestern Abend von Streuwägen bekämpft wurde, so diente Ute Vogt in der Metapher als Streuwagen für das „Glatteis“ Zustimmung der Basis zum Koalitionsvertrag. Mischko machte den Anwesenden in seiner Rede klar, dass er die Partei auf Jahre hinaus schwer beschädigt sähe, wenn der Koalitionsvertrag in der Mitgliederbefragung abgelehnt wird. „Schluss mit Basta, die Basis entscheiden“, mit diesen Worten begann der Mögglinger Ortsvereinsvorsitzende sein Statement zum Vertrag. Er sieht in der basisdemokratischen Entscheidung ein wichtiges Signal sowohl für das Land als auch die Partei. Allerdings sah Unrath gestern Abend in seinen Ausführungen noch kein klares Votum in eine Richtung, es gebe sowohl Ja– als auch Neinstimmen. Scharf griff er in Zusammenhang mit der Mitgliederbefragung und den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag die CDU und den Gmünder Bundestagsabgeordneten Norbert Barthle an. „Beide haben noch nicht begriffen, dass die SPD mit der Mitgliederbefragung den anderen Parteien weit voraus ist. Und beide haben noch nicht begriffen, wie notwendig die Themen unter anderem des Mindestlohnes für die Menschen sind.“ Insgesamt reicht Jakob Unrath das Erreichte im Koalitionsvertrag nicht aus, er wünschte sich eine offene, kontroverse aber faire Disskussion.
Ute Vogt, die die Koaltionsverhandlungen für die SPD mit begleitete machte in ihren Ausführungen deutlich, dass die Basis, jedes einzelne Mitglied der SPDmit seiner Stimme Verantwortung für das trägt, was es zu gestalten gilt. Sie gehe nicht davon aus, dass jedes der 470 000 Mitglieder den 185 seitigen Koalitionsvertrag durchlese, deshalb sei der Austausch von Argumenten auf Veranstaltungen wie am gestrigen Abend wichtig.
Sie gab zu, dass sie am Wahlabend nicht gedacht habe, an irgendeinem Tag an der Basis für einen Vertrag zur Koalition mit der CDU und der CSU zu werben. Noch am Montag habe sie ihre Zweifel angesichts des klein-​klein der CDU-​Verhandlungsführer gehabt. „Die konnten nichts entscheiden und mussten jedes Ergebnis vom Kanzleramt absegnen lassen und meist kamen nach Rücksprache dann wieder umfangreiche Änderungswünsche“, so Vogt. Anhand von Beispielen, so bei der Gentechnik machte sie die teilweise großen Unterschiede in den Meinungen deutlich. Letztendlich könne man aber mehr als zufrieden sein, bei 25,7 Prozent Wahlergebnis habe man erreicht, dass sich die sozialdemokratische Politik fast durchgängig durch den Gesamtvertrag ziehe. „Herzstück der sozialdemokratischen Handschrift sind die sozialen Aspekte wie Mindestlohn, abschlagsfreie Rente sowie die Beschränkungen bei der Leiharbeit. Leitlinie unseres Handelns ist, wird es vielen Menschen besser gehen, wenn wir mit in der Regierung sind. Wieviel aus den Verhandlungen heraus schon erreicht worden ist, zeige sich darin, dass Daimler seine Haltung zu Werkverträgen komplett überdacht und verändert habe, so Vogt zu einem großen Erfolg der eigenen Politik. Gesellschaftliche Veränderungen werde auch die Abschaffung der Optionspflicht für hier geborene junge Menschen sein, die sich nun mit 23 Jahren nicht mehr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssten. Das dies gelungen sei, freute Ute Vogt besonders. Ein weiteres, wichtiges Thema bei der gesellschaftlichen Öffnung sei auch der Kampf gegen Homophobie und Transphobie. Ebenso die Flüchtlingspolitik, die es zukünftig Menschen, die in Deutschland integriert Leben, ermöglicht, einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu erhalten. Ein entscheidende Frage wird sein, wie stellt sich die SPD in der kommenden Regierungsverantwortung auf, damit es 2017 wieder für eine Regierung unter SPD-​Verantwortung klappt, so Vogt abschließend.
Christian Lange stellte in seinem Plädoyer für den Koalitionsvertrag deutlich heraus, dass man die Fehler der großen Koalition aus dem Jahr 2005 nicht wiederholt habe. Man habe selbstbewusst verhandelt und viel herausgeholt. Wichtig für ihn, so Lange seien die Ergebnisse bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus, dass es einen Verhaltenskodex für ausscheidende Minister und Staatssekretäre gebe und dass nun Bestechlichkeit von Bundestagsmitgliedern strabbar werde. „Wichtig ist ebenso, dass die öffentliche Infrastrukturerhaltung und –verbesserung nicht unter Finanzierungsvorbehalt steht. Reichen die 23 Milliarden Euro nicht aus, wird es entweder Steuererhöhungen oder einen Subventionsabbau, zum Beispiel bei der Hoteliersteuer geben.“ Lange ist sich auch sicher, dass es in den nächsten vier Jahren keine Maut geben wird, auch wenn die CSU anderes verspricht. „Die kommt nur, wenn Weihnachten und Ostern an einem Tag zusammenfallen.“ Hinsichtlich der B29 Umgehung warnte Christian Lange vor großen Erwartungen, sah jedoch Möglichkeiten zur Realisierung. Dies sah auch Klaus Maier so, der sich freute, dass die CDU im Landtag eine 780 Millionen Klatsche erhalten habe in Sachen EnBW und dass der Nationalpark beschlossen wurde. Ebenso freute er sich, dass mit dem Koalitionsvertrag, der eindeutig eine SPD-​Handschrift trage mehr Geld ins Land komme, was die SPD-​Ministerien der Landesregierung stärke. Auch er klang nicht euphorisch, aber hoffnungsvoll was die Umgehung Mögglingens anbelangte.
In den Wortmeldungen der Basis gab es kritische Stimmen, insbesondere von Joachim Denke aus Schwäbisch Gmünd, der jedoch von Alfred Geisel mit einer flammenden Rede gekontert wurde. Die SPD sei angetreten, Veränderungen herbeizuführen, aber der Wähler wollte das nicht. Es sei gut, dass man mit 25 Prozent bei der Bundestagswahl eine so deutliche Handschrift der SPD-​Linie durchbringen konnte. „Das Elend der SPD ist nicht die Zusammenarbeit mit Merkel und der CDU, sondern das ewige Hadern mit sich selbst, das Suchen des Haares in der Suppe“, schrieb der Elder Statesman der Ostalb-​Sozialdemokraten den Kritikern ins Stammbuch. Wenn die Vereinbarungen des Vertrages durchgesetzt werden, dann sieht Alfred Geisel gute Chancen bei der nächsten Wahl im Jahr 2017.