Die Sorgen der Gartenbesitzer, Blümlesverkäufer und Landwirte

Ostalb

Rems-Zeitung

Ob im Baumarkt, beim Gärtner oder in Privathäusern – überall warten bunte Frühjahrsblumen genauso auf warmes Wetter wie Bauern und Kleingärtner. Für die Natur ist es quasi noch nicht April, sondern erst Anfang März.

Donnerstag, 04. April 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
193 Sekunden Lesedauer


Wer durch die Ortschaften fährt sieht auf Verkehrsinseln und inmitten der Kreisverkehre keine blühenden Frühjahrsgrüße, sondern meistens nur kahle braune Flächen. In Iggingen hat die Gemeinde zwar versucht, im Vorfeld ihres Ostermarkts den Frühling zu „erzwingen“. Doch schon während die Pflanzarbeiten im Kreisverkehr in Brainkofen durchgeführt wurde, fiel der Schnee; und der Frost setzte den zarten Pflänzchen dann so zu, dass viele Blätter inzwischen so braun sind wie der Rindenmulch. „Das Prinzip Hoffnung hat dort leider nicht funktioniert“, räumte der Igginger Bürgermeister Klemens Stöckle ein.
Lange Gesichter gibt es derzeit wohl auch bei den Geschäftsführern der Bau und Gartenmärkte, wo viele Blüten langsam aber sicher auf der Verkaufsfläche verwelken. Denn kaum ein Kunde hat sich in den letzten Wochen reichlich mit Blumen für den Vorgarten oder für die Pflanzkübel auf der Terrasse eingedeckt. Die Leute hatten — wie sich herausstellte zurecht — die Angst, dass diese Investition für die Katz’ sein würde.
„Im Freiland geht gar nichts“, kommentierte der Vorsitzende eines Kleingartenvereins den langen Winter. Selbst in unbeheizten Gewächshäusern seien die Beete aus Angst vor den Nachtfrösten meistens noch leer. Nur vereinzelt gibt es Gartenbesitzer, die gerne experimentieren und zum Beispiel nachts mit Kerzen dafür sorgen, dass die Luft im Glashaus nicht unter den Gefrierpunkt sinkt.
Etwas besser sind da die Baumschulen dran. „Unseren winterharten Gehölzen macht das späte Frühjahr gar nichts aus — vor deshalb nicht, weil es in diesem Jahr noch keine frühe Wärmeperiode und danach wieder einen Wintereinbruch gab“, sagt Steffen Fischer von den Rosenstein-​Baumschulen in Lautern. Trotzdem hat auch sein Betrieb in einem Jahr mit „weißen Ostern“ unter der Witterung zu leiden. „Wenn der Boden nicht gerade so hart gefroren ist, dass man kein Pflanzloch ausheben kann, spricht eigentlich nichts gegen das Setzen von winterharten Bäumen und Sträuchern. Aber viele Gartenbesitzer wissen dies nicht und bleiben zu Hause — und damit fehlt uns einen ganzer Verkaufsmonat!“
Dieser Monat fehlt auch Hermann Behringer aus Iggingen. Der Vorsitzende des dortigen Obst– und Gartenbauvereins ist als ausgebildeter und geprüfter Fachwart ein sehr gefragter Mann für den richtigen Schnitt von Obstgehölzen. „Doch das Wetter hat mir dieses Jahr einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Von rund 300 Bäumen konnte ich erst 25 fachgerecht schneiden!“ Der Obstbaumschnitt ist laut Behringer eine Sache, die man nicht einfach hopplahopp, sondern mit Bedacht erledigen sollte. „Man muss dabei vorgehen wie ein Schachspieler und mehrere Züge vorausdenken, sprich das künftige Wachstum der Bäume abschätzen können.“ Dazu brauche man neben Zeit vor allem ein fundiertes theoretisches Wissen und Erfahrung.
„Aber es besteht für Gartenbesitzer kein Grund zur Panik! Noch ist nichts zu spät, denn für die Natur ist es jetzt erst Anfang März“, gibt Behringer Entwarnung. Und so wird man den pensionierten Polizeihauptkommissar in den nächsten Wochen wohl recht häufig mit Leiter, Baumsäge und Astschere antreffen. „Die Bäume haben trotz des langen Winters keinen Schaden erlitten“, so die gute Nachricht des Iggingers. Und für Obstgehölze gilt auch nicht die naturschutzrechtliche Regelung, dass der Schnitt bis Ende Februar erledigt sein muss.
Sehr wohl von gesetzlichen Fristen und Auflagen betroffen sind hingegen die Landwirte – und zwar im Hinblick auf die Gülleausbringung. „Vor dem 15. Februar geht da generell nichts — und wenn auf dem Feldern noch Schnee liegt oder die Äcker nass sind, müssen wir Bauer uns auch danach noch in Geduld üben“, sagt der Vorsitzende des Bauernverbandes Ostalb, Anton Weber, zum „Rekordwinter“. Dies bedeutet, dass die Bauern nun sowohl die Ausbringung ihres Hausdungs als auch die Bearbeitung der Wiesen und das Einsäen der Äcker mehr oder weniger gleichzeitig erledigen müssen. „Da wird mancher Arbeitstag für uns 16 Stunden haben — und die Bürger regen sich dann sicherlich wieder auf, weil es überall nach Gülle stinkt“, bedauert Weber.
„In der Natur ist es halt nicht wie im Wunschkonzert — wir können das Wetter nicht so bestellen, wie es uns am bestens passt“. Wenn dies möglich wäre, würde Anton Weber in den nächsten Wochen nicht den vom Normalbürger sehnlichst erwarteten Sonnenschein auf den Wunschzettel schreiben, sondern ein echtes Aprilwetter mit viel Regen — getreu der alten Bauernregel „April nass, füllt Scheune und Fass“. Im Gegensatz zu manchen anderen Jahren mit einem sehr warmen Februar und danach einer sehr kalten Periode ist bis jetzt wenigstens noch kein Schaden entstanden. Die Pflanzen haben sich automatisch darauf eingestellt, ihren „Winterschlaf“ um vier Wochen auszudehnen. „Sobald es jetzt aber warm wird, dann explodiert das Wachstum. Und dazu brauchen die Pflanzen und das Saatgut auch ausreichend Feuchtigkeit“, erläuterte Anton Weber im Gespräch mit der Rems-​Zeitung.