Blick auf ethische Aspekte in der Altersmedizin

Ostalb

Rems-Zeitung

Anästhesist Dr. Hans-​Jörg Lorenz befasste sich im Bilderhaus mit der Ethik in der Altersmedizin. Seine klare Botschaft lautete: Es gibt keineethischen Standardisierungen.

Samstag, 06. April 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
103 Sekunden Lesedauer


GSCHWEND ℠. „Immer steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt“. Das ist die wichtigste Botschaft des Anästhesisten und Intensivmediziners Dr. Hans-​Jörg Lorenz und er fügte hinzu: „Es gibt in der Intensivmedizin keine ethischen Standardisierungen, keine 08 – 15-​Entscheidungen.“ Zu dem informativen Abend lud das Regionale Bildungszentrum der Gmünder Volkshochschule.
Mit dem schwungvollen Beatles-​Song „When I get older“ führte Hans-​Jörg Lorenz ins Thema ein. Die Rationierung in der Altersmedizin war sein erster Punkt. Der Anteil der Ü 80-​Patienten habe auf den Intensivstationen in der letzten Dekade um 30 Prozent zugenommen, so Lorenz, und 20 Prozent der stationären Kosten entfallen auf die Intensivmedizin. Dies sei somit der teuerste Bereich in den Krankenhäusern. Grund genug für einige Politiker, Beschränkungen einzuführen, so wie Maggie Thatcher, die damals die Dialyse für ältere Menschen abschaffte.
„Die ältere Generation ist der Sündenbock der Kostenexplosion im Gesundheitswesen“, sagt Lorenz, der seit acht Jahren als Anästhesist im Stauferklinikum arbeitet und bereits seit 26 Jahren in diesem Bereich tätig ist. Die jährliche Steigerung der Ausgaben betrage acht Prozent, der Anteil der demographischen Ursachen betrage aber nur 0,7 Prozent.
Der Nutzen der Altersmedizin war der zweite Punkt, den Lorenz in seinem Vortrag genauer beleuchtete und mit Studien untermauerte. Demnach haben ältere Patienten zwar eine höhere Sterblichkeit in der Intensivmedizin.
Aber das Alter an sich sage nichts über die Mortalität aus, sondern die Begleiterkrankungen. Es gibt keine aussagefähigen Altersunterschiede in Bezug auf Verweildauer aus der Intensivstation, Beatmungstage und Reanimationserfolg. Drei bis sechs Monate nach der Entlassung seien aber 60 bis 80 Prozent der alten Menschen wieder mit ihrer Lebensqualität zufrieden. Allerdings reagieren ältere Menschen empfindlicher auf Fehler in der medizinischen Versorgung.
Mit Weizäckers Zitat der „Arroganz der Gesunden“ führte Lorenz in das dritte Thema ein, den ethischen Überlegungen insbesondere vor operativen Eingriffen. Oft fließe unreflektiert die persönliche Einstellung des Arztes in die Einschätzung der Lebensqualität ein. Dabei könne mancher sein Leben trotzdem als lebenswert empfinden, obwohl der Arzt zu einer anderen Einschätzung kommt.
Aus allen drei Gründen zieht Lorenz deshalb sein Resümee: „Ohne Wenn und Aber ist die intensiv-​operative Medizin im Alter kein Widerspruch“. Allerdings, so gibt er den Zuhörern auf den Weg: „Überlegen Sie sich schon im Vorfeld, wie Sie behandelt werden wollen und sprechen Sie mit den Angehörigen“. Anschließend nahm das Publikum vom Angebot rege Gebrauch, mit Hans-​Jörg Lorenz ins Gespräch zu kommen und Fragen zur Intensivmedizin zu stellen.