Ärztekammer: Praxiszusammenschlüsse kommen

Ostalb

Rems-Zeitung

Die Zahl der Ärzte ist seit den 80er Jahren gleich geblieben, dennoch besteht Ärztemangel. Es wird in Zukunft wohl nicht besser: „Die Hausärzte werden Mangelware“ – auch im Ostalbkreis, befürchtet Ulrich Clever, der Präsident der Landesärztekammer.

Mittwoch, 05. November 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Dr. Ulrich Clever, seit drei Jahren Vorsitzender der Landesärztekammer Baden-​Württemberg und selbst Facharzt für Frauenheilkunde in Freiburg, macht Basisarbeit für seine Organisation: Er besucht die Ärzteschaften der Kammerbezirke und spricht mit den Ärzten über Entwicklungen und Herausforderungen für seinen Berufsstand. Gegenwärtig ist der Ärztemangel – der schon spürbare und der in den nächsten zehn Jahren kommende – ein großes Thema, ein weiteres sind gesetzliche Vorgaben, welche die Mediziner als Eingriff in die Selbstverwaltung und die Freiheit ihres Berufes ansehen. Am Mittwochabend sprach er auf einer Versammlung der Ärzteschaft Schwäbisch Gmünd im Stauferklinikum, vorneweg auch mit der Presse, wobei auch Dr. Erhard Bode, der Vorsitzende der Gmünder Ärzteschaft, teilnahm.
Als beispielhaft für die Fähigkeit, selbst zu organisieren, sah Clever die seit fünf Jahren bestehende Bereitschaftspraxis der Ärzteschaft am Stauferklinikum an. Eine solche Einrichtung gehöre überdies zu den „wichtigen Konstituenten für die Verbesserung der Niederlassung von Ärzten in der Fläche.“ Die Bereitschaftspraxis, die den niedergelassenen Ärzten häufige Nachtdienste erspart, sei schon „sehr erleichternd“ und eine „gute Symbiose“ mit der Klinik.
Doch die Rahmenbedingungen seien nicht immer im Sinne einer funktionierenden medizinischen Versorgung. Als Beispiel nannte Ulrich Clever die geplante Terminservice-​Stelle, welche die Ärzteschaft selbst bezahlen solle. Es steckten viele Detailprobleme darin. Ungereimtheiten sah Clever auch in der Art, wie gegen Überversorgung in bestimmten Bereichen vorgegangen werde. Die „Ärzteschwemme“ der 80-​er Jahre habe zur Niederlassungssperre geführt, inzwischen sei die Situation anders, Folge der „Verweiblichung“ des Ärzteberufs, der Durchsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinien in den Krankenhäusern und auch einer älteren Bevölkerung, die mehr Betreuung brauche. Die Zahl der jungen Ärzte, die von den Universitäten kommen, sei gleich geblieben, es herrsche aber ein zunehmender Mangel an Arbeitskraft. Junge Ärzte ließen sich nicht mehr auf die Bedingungen ein, die noch vor einer Generation herrschten, „zu Recht.“ Und: „Wenn der niedergelassene Bereich nicht mehr attraktiv ist, dann kommt die Abstimmung mit den Füßen.“
Auf der lokalen Ebene des Ostalbkreises feilt die Ärzteschaft an der Struktur. Große Hausarztpraxen stellen schon „Weiterbildungsassistenten“ ein, sagt Erhard Bode. Zur Zeit will man mit dem Regionalverband die Idee ventilieren, dass Kollegen in den Verwaltungsgemeinschaften ein gemeinsames Netzwerk gründen, um junge und auch ältere Kollegen einzubinden in die Patientenversorgung. Doch auch hier seien beispielsweise beschäftigungsrechtliche Fragen zu klären. Funktionieren könne es so: Feste Blöcke von fünf Arztpraxen stellen einen oder zwei Mediziner ein, die einen eigenen Patientenstamm aufbauen und Erfahrungen sammeln für die eigene Facharzt-​Ausbildung. Für künftige Hausärzte wurden an den Kliniken in Aalen und Mutlangen seit zwei Jahren „Ausbildungscurricula“ eingerichtet, die bislang jedoch „nicht recht angenommen“ werden.
Die Zukunft werde jedenfalls „kooperativ“ sein, ist sich Clever sicher, Praxiszusammenschlüsse würden kommen. Wenn sie genügend Ärzte wolle, müsse sich die Gesellschaft Gedanken machen.

Info:

Im Ostalbkreis sitzt die Masse der Ärzte, auch der Hausärzte, nach der Aufstellung der Kassenärztlichen Vereinigung in den drei großen Städten.
Der Anteil der Über-​60jährigen liegt bei den Hausärzten bei 33 Prozent, den größten Block aber mit 80 Ärzten von 205 bilden die 50– bis 59-​Jährigen – diejenigen also, die in der nächsten Dekade aus dem Berufleben ausscheiden oder aber weniger arbeiten werden.
Die Landesärztekammer ist die Berufsvertretung der Ärzte und Träger der Selbstverwaltung.
In Baden-​Württemberg gehören ihr 63 000 Ärzte als Mitglieder an. 19 000 Mitglieder sind im ambulanten und 24 000 im stationären Bereich tätig. Außerhalb dieser Bereiche arbeiten 4 200 Ärzte. 15 800 Mitglieder sind im Ruhestand oder ohne ärztliche Tätigkeit.