Traditionelles Einholen des Garbenwagens

Ostalb

Rems-Zeitung

Lange läuteten die Glocken der evangelischen Kirche in Gschwend. So lange, bis der feierliche Zug, mit dem der Garbenwagen eingeholt wurde, einmal den Marktplatz umrundete und dann vor der Kirchentür stehen blieb. Hunderte von Besuchern verfolgten diese Tradition, die an eine Hungersnot im Jahr 1817 erinnert.

Montag, 11. August 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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Von Dorothee Wörner
GSCHWEND. Kindergarten– und Schulkinder hatten den Zug angeführt, viele Mädchen trugen Kränze aus Kornblumen und die Buben hatten sich kleine Sträußchen ans Revers gesteckt.
Die Gruppe der Konfirmanden begleitete den Garbenwagen auf beiden Seiten, mit sich trugen sie lange Roggenbündel, so bildeten sie später eine Art Spalier vor der Kirche. Zwei Geistliche, der Gschwender Pfarrer Jochen Baumann und Vikar Tobias Hermann gingen zu Fuß hinter dem Wagen her – ein Zeichen dafür, wie tief diese Tradition auch in der evangelischen Kirchengemeinde verwurzelt ist.
Den Schluss des feierlichen Zuges machten die Mitglieder der Gschwender Trachtengruppe, die in ihren schmucken Gewändern ein schönes Bild abgaben. „Brrrr“, mit seiner Stimme gab Oskar Köngeter aus Alfdorf-​Brech den Freiberger Pferden „Don Juan“ und „Diane“ das Kommando, vor der Kirche anzuhalten. Die Pferde schnaubten und Werner Bohn und Hans Mantel, welche die Tiere auf dem Weg begleitet hatten, sprachen beruhigend auf sie ein, denn schon fing der Gschwender Musikverein unter Leitung von Frieder Geiger an zu spielen. Der Hymnus „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ steht traditionell am Beginn des Gottesdienstes, der mit einem Psalmgebet und einem Vortrag des Kirchenchors zunächst im Freien beginnt.
Andreas Schober, der eben noch beim Musikverein mitspielte, legt sein Instrument zur Seite. Er ist Landwirt in Seelach und hat auf seinem Acker den Roggen für den Garbenwagen angebaut. Am vergangenen Donnerstag wurde das Getreide mit dem Motormäher abgemäht und ungefähr fünfzehn Gschwender Bürger kamen und halfen die Ähren zusammenzubinden, auch Pfarrer Jochen Baumann war mit dabei.
Andreas Schober erzählt, dass in der Gegend um Gschwend noch sehr oft Roggen angebaut werde, der als beliebtes Brotgetreide bei der Gschwender Mühle angeliefert werde. Die Garben wurden von den Männern nach dem Binden auf dem Wagen gestapelt, immer nach einem ganz bestimmten Muster. Für die Girlanden aus Eichenlaub und Sommerblumen und die ebenfalls blumengeschmückte Garbe, die zum Schluss oben aufgestellt wird, sorgten die Frauen. Bei der Familie Hägele in der Gmünder Straße nimmt der Zug dann seine Aufstellung. Pfarrer Jochen Baumann dankte allen Helfern und den Familien Schober und Hägele und insbesondere Gerhard Maier, für den der Garbenwagen seit 21 Jahren eine Herzensangelegenheit sei.
„Geh aus mein Herz und suche Freud“, sangen die Kinder des Kindergartens Buschberg in der Kirche. Es scheint das Gschwender Lied zu sein, denn Pfarrer Baumann berichtete, dass viele Gschwender dieses Lied zur Hochzeit wünschen mit der Begründung, dass sie es seit ihrer Kindheit kennen, in der auch sie einst den Garbenwagen begleiten durften. In der Predigt sprach der Gschwender Pfarrer über die 40-​jährige Wanderschaft der Israeliten durch die Wüste (2. Mose 16) und erinnerte an den Hunger der Menschen. Durch ihr Gottvertrauen wurden sie versorgt und bekamen Wachteln, Brot und Manna.
„Wir bitten, dass Gott auch uns versorgt, an Leib und Seele“, so Pfarrer Baumann, der später für herzliches Lachen sorgte, als der den Kindern demonstrieren wollte, was Manna eigentlich ist. „Ich habe es extra in der Apotheke bestellt“, sagte er, „damit ihr seht wie Manna aussieht. Ihr dürft es gerne probieren, es ist zwar ein wenig abführend, aber das macht nichts.“ Die Kinder freuten sich dann aber doch sehr über ihre Laugenbrezel, die sie nach dem Gottesdienst – auch das hat Tradition – geschenkt bekamen. Die übrigen Gemeindemitglieder feierten anschließend ihren Festtag bei einer Hocketse auf dem Platz zwischen Gemeindehaus und Kirche.