Immer weniger Hausärzte

Ostalb

Rems-Zeitung

Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum bereitet Sorgen. Auf dem Papier ist der Ostalbkreis mit 464 Ärztinnen und Ärzten überversorgt, dennoch gibt es in neun von 42 Kommunen keine einzige Praxis mehr – mit deutlich steigender Tendenz.

Freitag, 09. Januar 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
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OSTALBKREIS (bt). Die Hausärzte werden immer älter, es gibt zuwenig Nachwuchs: Überhaupt keine niedergelassenen Ärzte gibt es bereits jetzt in neun Kommunen, unter anderem in Obergröningen, Ruppertshofen, Schechingen und Täferrot. Unterversorgt sind Gschwend, Göggingen, Bartholomä, Eschach, Heuchlingen und Spraitbach. Während die Zahl an Ärztinnen und Ärzten seit sieben Jahren insgesamt zunimmt, ist sie bei den Hausärzten rückläufig. Die Situation wird sich durch den demografischen Wandel und den hohen Altersdurchschnitt der Hausärzteschaft weiter verschärfen.
In einer parlamentarischen Anfrage an die Landesregierung hat Gmünds Landtagsabgeordneter Dr. Stefan Scheffold eben diese Situation der ärztlichen Versorgung im Ostalbkreis abgefragt. Arztpraxen seien Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Wettbewerbsfaktor zugleich und müssten möglichst in jedem Ort vorhanden sein: „Es gibt eine besorgniserregende Schieflage sowohl bei der geografischen Verteilung der Ärzte, als auch bei der zahlenmäßigen Entwicklung der Arztgruppen. Über die Hälfte der 200 Hausärzte sind in Gmünd (43), Aalen (47) und Ellwangen (17), obwohl in den drei großen Kreisstädten weniger als die Hälfte der Einwohner des Ostalbkreises lebt. Von 463 Haus– und Fachärzten finden sich 153 in Gmünd, 46 in Ellwangen und 145 in Aalen — das sind drei Viertel; allein in Gmünd findet sich mit 30 ein Drittel der Psychotherapeuten im Kreis.
Scheffold: „Für den Besuch beim Facharzt mag eine Anfahrt von mehreren Kilometern noch zumutbar sein. Für den Hausarztbesuch ist sie dies in keinem Fall.“ Scheffold bedauert es auch, dass es im Ostalbkreis im Gegensatz zu einigen Nachbarkreisen bisher noch zu keiner Förderung durch das Landesprogramm „Landärzte“ kam: Das Land fördert Arzt-​Ansiedlungen in unterversorgten Gebieten noch bis Ende 2016 mit bis zu 30 000 Euro pro Praxis. Obwohl 16 Kommunen im Ostalbkreis die Voraussetzungen für eine Förderung erfüllen, gingen die 34 bisher bewilligten Förderbescheide ausnahmslos in andere Landkreise, etwa nach Göppingen und Rems-​Murr.
In vielen Gemeinden wie etwa Böbingen suchen niedergelassene Ärzte Nachfolgerinnen und Nachfolger, zögern den Ruhestand zum Teil hinaus, um die Patienten nicht im Stich lassen zu müssen. Grundsätzlich müssten mehr Nachwuchsmediziner für den Beruf des Hausarztes gewonnen werden, darin sind sich alle einig: Es gibt einige Ansätze, Abhilfe zu schaffen. So wird überlegt, den Zugang zum Studium nicht mehr nur über die Abiturnote zu regeln. Wer etwa im Rettungsdienst oder in der Pflege echte Hinwendung zeige, könnte unter bestimmten Bedingungen, wie der Verpflichtung, einige Jahre „aufs Land“ zu gehen, eine Chance erhalten. Finanzielle Anreize auf unterschiedlichen Ebenen werden diskutiert. Das Problem des ländlichen Raumes ist freilich nicht nur ein finanzielles: Es geht nicht zuletzt um Rahmenbedingungen, wie das „Einzelkämpferdasein“, das den Nachwuchs mit allzu vielen Notdiensten oder der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie in die Ballungszentren oder zumindest in die Städte treibt. Künftig sollen Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in der Nähe der Praxis wohnen müssen, ist ein Ansatz, um den Beruf familienfreundlicher zu gestalten.
Anderes ließe sich einfach regeln. Als in Hussenhofen vor einigen Jahren, eine Ärztin „an Heubach verloren“ ging, hat die Kassenärztliche Vereinigung mit der Begründung, der Ostalbkreis habe bereits ausreichend Ärzte, keine neue Praxis genehmigt. Gerade einen Flächenkreis wie den Ostalbkreis sollte man sich viel kleinteiliger anschauen können, differenzierter. Die kleineren Gemeinden warten seit Jahren darauf, dass sich etwas ändert.