Die Pressehütte und ihre neuen afghanischen Bewohner baten die Nachbarn zum Gartenfest

Ostalb

Rems-Zeitung

„Wir sind ein Friedensverein“, sagt Lotte Rodi, „wir schauen nicht zu, wenn so viele auf der Flucht sind“. Und so wurde die Pressehütte umgebaut. Vier Paare aus Afghanistan sollen hier durchatmen und wieder anfangen, zu leben. Gestern gab’s ein Willkommensfest.

Samstag, 21. Mai 2016
Rems-Zeitung, Redaktion
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MUTLANGEN (bt). Pressehütte: Den Jüngeren sagt das sicher nicht mehr viel. Entstanden aus dem Widerstand gegen die Pershing-​II-​Raketen dient das Holzhaus heute als Büro der Friedens– und Begegnungsstätte Mutlangen. Die Mitglieder besahen sich nun das Flüchtlingselend und befanden, dass einige ihrer Räume nur wenig genutzt werden. Von zwei kleinen Büroräumen abgesehen, hat der Verein dann ziemlich aufwändig umgebaut – vor allem der Brandschutz bereitete Probleme – und an den Landkreis vermietet.

Von den vier Asyl suchenden Paaren, die kommen sollen, sind drei bereits vor einigen Wochen in die Pressehütte eingezogen. Sie haben winzige Schlafkammern und einen großen Gemeinschaftsraum, in dem vor 30 Jahren alles, was in der Friedensbewegung Rang und Namen hatte, schlief, schrieb, sinnierte und nächtelang diskutierte. Dann gibt es eine Küche, in der noch immer ein großes Friedenszeichen prangt – an die Wand gemalt während eines internationalen Workcamps. Die neuen Bewohner fühlen sich wohl hier. Hashim und Khadija, die in den nächsten Tagen ihr erstes Kind erwartet. Abbas und Amene, die ihre Kinder verloren haben und sich nun so sehr wieder ein Baby wünschen. Masuma und Mirza, die beide Schlimmes erlebt haben. Mirza sagt ganz ruhig, ganz ohne Drama, dass er nicht zurückgeht nach Afghanistan, ganz gleich was passiert.
Arbeiten würde er gerne. So gern. Und gern auch ohne Bezahlung: Es macht ihm sehr zu schaffen, nichts zu tun, auf das er stolz sein könnte. Aber zunächst muss er deutsch lernen; die sechs neuen Pressehütte-​Bewohner – das vierte Paar wird täglich erwartet – freuen sich aufs Deutschlernen. Erste Lektionen gab’s bereits von Michael Niersberger. Und weil der Pädagoge Träger des 4. Dan ist, hat er seinen neuen Nachbarn auch gleich Karatestunden angeboten.
Überhaupt gab es ein freundliches Willkommen – auch wenn Verständigung noch kaum möglich ist. Marlene Hahn etwa hat ganz selbstverständlich angeboten, vor dem Einzug der neuen Nachbarn zu putzen. Da wurde dann einen Nachmittag lang richtig geschafft. Und als Marlene Hahn gestern mit dem Blumenstrauß in der Hand in die gute Stube gebeten wurde, war ihr schon anzumerken, dass sie sich über den herzlichen Empfang freute, aber auch darüber, dass es noch immer blitzsauber ist der Pressehütte. Dass es vor allem aussieht, als ob sich hier jemand wohlfühlt.
In ihrer Samstagsausgabe berichtet die RZ über das Willkommensfest für Nachbarn und Freunde.