Ab 2013 tritt die Regelung für Betreuungsplätze im U3-​Bereich in Kraft und stellt Bund und Kommunen vor Herausforderungen

Ostalb

Rems-Zeitung

Bereits 2007 wurde ein bundesweiter Ausbau der Krippenplätze bis 2013 beschlossen. Daraus ergeben sich viele Chancen, jedoch auch Probleme in der Umsetzung – sowohl für den Bund, als auch für einzelne Gemeinden. Auch Schwäbisch Gmünd muss schon jetzt planen, um die neue Regelung umsetzen zu können. Von Sandra Fuhrmann

Sonntag, 30. Mai 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
328 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Im Gmünder Kinderhaus Kunterbunt werden die Krippenplätze von zehn auf 20 aufgestockt. Die Einrichtung bietet sowohl Betreuung für unter Dreijährige, als auch zusätzlich zur normalen Kindergartenbetreuung, Betreuung nach der Schule, bis zum Alter von zwölf Jahren, an. Der Gedanke war zuerst, auf Grund des durch die neue Regelung entstehenden Platzproblems, eine der Gruppen auszulagern. Durch eine Umstellung des Konzepts jedoch konnte eine andere Lösung gefunden werden. Jedoch ist vermutlich auch für viele andere Einrichtungen Platzmangel ein nicht unwesentliches Problem, das sich aus der Umstellung ergeben wird. Eine Regelung sieht vor, dass für Kinder über drei Jahren 2,5 Quadratmeter pro Kind und für Kinder unter drei 1 – 5 Quadratmeter pro Kind vorhanden sein müssen. Das Kinderhaus Kunterbunt benötigt für die Erweiterung zudem einen zweiten Wickelbereich, so wie zusätzliche Möbel, welche von der Stadt finanziert werden. Für jedes der Kinder ist schon jetzt ein eigenes Bett für die Mittagsruhe vorhanden.
Damit es den ganz Kleinen auch an nichts fehlt wird sicher gestellt, dass sie sich von Anfang an an eine spezielle Bezugsperson in der Krippe gewöhnen können. Eine Erzieherin baut diese spezielle Bindung dabei normalerweise zu nicht mehr als drei Kindern gleichzeitig auf.
Und obwohl die Einrichtung bereits jetzt ein besonders ausgedehntes Angebot besitzt, gibt es eine Warteliste mit mehr als 30 Anfragen für Krippenplätze. Hella Görge, die stellvertretende Leiterin des Kinderhauses Kunterbunt betont, dass es nicht nur um Betreuung geht. Heutzutage ginge es auch in diesem Alter schon um vorschulische Bildung. Doch sie ist sich sicher, dass sich das Konzept lohnen wird. „Man investiert in die Zukunft“ sagt sie. „Die Krippenplätze sind der Ausgangspunkt für jedes Kind“. Sie ist sich nach langjähriger Berufserfahrung davon überzeugt, dass Nachteile für die Kinder dadurch nicht entstehen. Dennoch verpasst sie nie die Eltern vor der Anmeldung des Kindes darauf hinzuweisen, dass sie auch einiges verpassen werden. „Manchmal sind es eben nicht die Eltern, sondern wir, die das erste Wort des Kindes hören“ berichtet sie. Für Hella Görge ist die Krippenbetreuung, auch abgesehen von ihrer Erfahrung, nichts Neues. Sie kommt ursprünglich aus den neuen Bundesländern und in der damaligen DDR gehörte Krippenbetreuung einfach zum Alltag, was sich auch im heutigen Angebot bei den dortigen Krippenplätze wiederspiegelt.
Hella Görge ist sich jedoch sicher, dass Frauen, und damit Mütter, sich einfach verändert haben. Sie wollen ihren Beruf nicht mehr aufgeben, um dann zur Vollzeitmutter zu werden.
Beruf und Familie
müssen vereinbar sein
Auch für Anastasia Paraskevaidou war bereits vor der Geburt ihrer Tochter klar, dass sie ihren Beruf als Buchhalterin nicht aufgeben wollte. Ursprünglich hatte sie ja einen 30– Stunden Job angestrebt. Diese Möglichkeit gab es dann aber nicht, und eine Halbtagsstelle wäre ihr zu wenig gewesen. Ein Krippenplatz ist für sie somit die ideale Lösung. Zwar müsse sie sich ab und zu Kritik von den Leuten anhören, meint sie, sie ist aber überzeugt, dass sie so zufriedener ist und damit auch ihre Tochter glücklicher machen kann.
„Ich war noch Schülerin, als ich mein erstes Kind bekam“ erzählt Maria Spenny. Ihr blieb somit gar keine andere Wahl, als einen Krippenplatz zu finden. Danach kam für sie dann die Ausbildung und anschließend direkt der Berufseinstieg. Vor allem, wenn man neu in einem Beruf ist, meint sie, kann es speziell nach einer Pause extrem schwer sein, den Berufseinstieg wieder zu schaffen. Auf die Beziehung zu ihren beiden Kindern hat die Krippenbetreuung keine negativen Auswirkungen. „Manchmal fehlen sie mir natürlich schon“ sagt sie. Sie weiß jedoch auch, dass ihre Kinder in guten Händen sind. Und beim Abholen freuen sie sich dann um so mehr, Mama wieder zu sehen.
Besonders für Kinder von Einwandererfamilien kann der soziale Kontakt zu anderen und das Angebot in den Einrichtungen, im Hinblick auf Schulvorbereitung, möglicherweise einen Gewinn darstellen. Sicher ist natürlich, dass eine gesunde Eltern-​Kind-​Beziehung durch nichts zu ersetzen ist. Auch ein qualitativ hochwertiger Krippenplatz kann keinen Ausgleich zu einer nicht vorhandenen oder schlechten Beziehung zu den Eltern darstellen. Für Mütter jedoch, die ihren Beruf nicht aufgeben wollen, oder können, können Krippenplätze unter Umständen die einzige Lösung sein. Und wenn man sich dann auf eine kompetente Betreuung verlassen kann entlastet dies , vor allem die Mütter, auch im Alltag.
Die rechtlichen Voraussetzungen und die Vorgaben der Politik
Am 5. September 2007 traf das Bundeskabinett den Beschluss zur Förderung des Ausbaus der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren auf eine Zahl von 750000 bis zum Jahr 2013. Bundesweit wäre dies eine Verdreifachung der momentan vorhandenen Plätze. Die Betreuungsquote müsste somit von bundesweit 17,8 Prozent auf 34 Prozent ansteigen. Bereits seit 2008 besteht ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 2. Lebensjahr. Ab 2013 gilt dieser Rechtsanspruch dann schon ab dem 1. Geburtstag.
Deutliche Unterschiede sind momentan zwischen alten und neuen Bundesländern zu erkennen. Während die Betreuungsquote bei den neuen Bundesländern bei 42,2 Prozent liegt, sind es lediglich 12,2 Prozent bei den alten Bundesländern. Nicht nur bei dem Problem der Finanzierung melden sich Kritiker zu Wort. Über den Weg der Finanzierung, wie auch über die Gesamtkosten, herrscht unter den Parteien große Uneinigkeit. Bis 2013 sollen 1,85 Milliarden für den Ausbau der Krippen ausgegeben werden. Danach sollen jährlich 770 Millionen dazu kommen. Ein anderer Kritikpunkt sind zudem die Auswirkungen des Projekts auf die Situation der Kinder. Professor Schulte-​Markwort, Professor und Direktor an der Klinik für Kinder– und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Eppendorf zum Beispiel ist der Meinung, dass die Bedürfnisse der Kinder dabei auf der Strecke blieben.
Liselotte Ahnert, Professorin für Entwicklungsforschung an der Universität Köln dagegen, verweist auf die Ergebnisse einer Untersuchung von 1991 des „Institute of Child Health“ in Washington an tausend Kleinkindern. Diese zeigen, dass Fremdbetreuung keinen negativen Einfluss auf die Mutter-​Kind-​Beziehung hat. Eine Studie im Auftrag der Bertelsmannstiftung von 2008 besagt sogar, dass Kinder, die eine Kinderkrippe besucht haben, eine größere Chance haben, später das Gymnasium zu besuchen.
Der Gmünder Bürgermeister Dr. Joachim Bläse bestätigte im Gespräch mit der Rems-​Zeitung, dass die internationale Tendenz auch hier für die Region zutrifft. Es gibt einen steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. Die Stadt Schwäbisch Gmünd geht sogar davon aus, dass 2013 ein Drittel aller Eltern einen Krippenplatz für ihr Kind suchen werden.
„Die Eltern wollen Flexibilität“ meint Bläse in diesem Zusammenhang. Nicht alle bräuchten einen Krippenplatz für jeden Tag und nicht immer sei die Zeit, zu der sie ihr Kind wieder abholen wollten, die selbe. Kindertagesstätten müssten außerdem bezahlbar sein.
Heute ist es im Gegensatz zur Vergangenheit nicht mehr so, dass sich der Beitrag am Einkommen der Eltern orientiert. Der Betrag pro Kind sinkt teilweise lediglich, wenn mehrere Kinder einer Familie den selben Kindergarten besuchen. Bundesweit wird ein Mangel an staatlich subventionierter Kleinkindbetreuung oft als eine Ursache für die niedrige Geburtenrate angeführt. Dass dies jedoch nicht unbedingt stimmen muss, ist am Beispiel von Sachsen-​Anhalt zu sehen, das eine besonders gute Kleinkindbetreuung hat, mit 1,2 Geburten pro Frau im Jahr 2005 allerdings die niedrigste Geburtenrate in Deutschland vorweisen konnte. Auch im Bereich Fachkräfte machen die neuen Regelungen eine enorme Aufstockung notwendig. Landesweit ist bis 2013 ein Mehrbedarf an Personal von 7.300 Stellen zu erwarten, der gedeckt werden muss.
Bereits vom Kindergartenjahr 2009/​2010 auf das Kindergartenjahr 2010/​2011 stieg die Zahl der Kindergartenkinder in Schwäbisch Gmünd von 289 auf 298. Betrachtet man jedoch die Gesamtlage, ist Schwäbisch Gmünd im Bereich Kinderbetreuung sicherlich ein vorbildliches Beispiel. So erreicht die Stadt die gesetzlich vorgeschriebene Versorgungsquote von 34 Prozent im U3-​Bereich nicht erst 2013, sondern voraussichtlich sogar schon im Laufe des Jahres 2011. Ganztageskrippenplätze zu schaffen ist laut der städtischen Bedarfsplanung nur sinnvoll, so lange die Ganztagesbetreuung auch nach dem dritten Geburtstag weiter zur Verfügung gestell werden kann.