Warum Landwirte mehr Wert auf das Energiesparen legen sollten

Ostalb

Rems-Zeitung

Johannes Schabel vom Oberen Stollenhof erstellt für seinem Biobetrieb, wo er nach Demeter-​Richtlinien arbeitet, eine Energie– und CO-​2-​Bilanz. Sein Ziel ist klar formuliert: Er will beweisen, dass die Landwirtschaft der Zukunft mit Sprit und Strom anders umgehen muss, als die bisher üblich ist.

Donnerstag, 18. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
272 Sekunden Lesedauer


Von Gerold Bauer
GMÜND-​RECHBERG. Landwirte übernehmen Leistungen für die Gesellschaft, die sie nicht über den Preis ihrer Produkte honoriert bekommen. Zum Beispiel die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaften, den Schutz von Trinkwasser, die Vorbeugung von Bodenerosion und die Förderung des Klimas. Diese Themen sind seit jeher zentrale Elemente der Fachschule für angehende Landwirtschaftsmeister. Jeder Fachschüler führt dazu auf seinem Hof ein Projekt durch und beweist damit seine praktischen Fertigkeiten und Kenntnisse.
Johannes Schabel muss nicht erst in der Fachschule lernen, was es heißt, als Bauer auf die naturnahe Produktion zu achten. Schon Anfang der 80er-​Jahre wurde der Hof von seinen Eltern Ursula und Leopold Schabel auf biologische Landwirtschaft umgestellt und ist seit 1984 ein anerkannter Demeter-​Betrieb. „Demeter“ ist ein geschütztes Markenzeichen, unter dem nach anthroposophischen Prinzipien biologisch-​dynamisch erzeugte Produkte verkauft werden. Der Name leitet sich von der griechischen Mutter– und Fruchtbarkeitsgöttin Demeter ab. Die Verwendung des Logos darf nur durch Vertragspartner genutzt werden, die sich während des gesamten Anbau– und Verarbeitungsprozesses an die Richtlinien des Demeter-​Bundes halten.
Eine dieser Auflagen besteht darin, dass Rindern nicht die Hörner abgesägt werden. „Wenn man sich die verschiedenen Rinderrassen und Wildtiere sowie deren Lebensräume weltweit anschaut, sieht man schnell einen Zusammenhang zwischen natürlichem Nahrungsangebot und der Länge der Hörner“, erläutert der 22-​jährige Hofnachfolger und verweist darauf, dass Rinder ihre Hörner während des Verdauungsprozesses unter anderem zum Gasaustausch nutzen. „Die Natur hat diese Dinger nicht einfach zur Dekoration aus dem Kopf wachsen lassen!“
Im Rahmen der Fachschule möchte Johannes Schabel den Beweis führen, dass durch clevere Schritte die CO-​2-​Bilanz (und damit auch noch das Einkommen) eines Bauernhofs erheblich verbessert werden kann. Er erfasst deshalb ein ganzes Jahr lang alle betrieblichen Arbeitsgänge und rechnet sie in CO-​2-​Äquivalente um. Der Schwerpunkt liegt bei dieser Erfassung auf dem Energieverbrauch. Denn jeder Kilometer mit dem Traktor macht sich in der Bilanz bemerkbar — genau wie jede Kilowattstunde, die ein Betrieb aus dem öffentlichen Stromnetz bezieht. Auch die Auswirkungen von Gülle und Festmist werden berücksichtigt — wobei er allerdings das Problem hat, dass es für seine nur mit Gras und Heu gefütterten Kühe keine exakten Richtwerte gibt.
„Wer natürliche Ressourcen schonen will, muss beim Energieverbrauch beginnen“, ist das Credo des jungen Landwirts, der sich glücklich schätzen kann, dass er dicht bei seinem Hof viele Wiesen zur Verfügung hat, die als Weide in Frage gekommen. Weil seine Kühe auf ganz natürliche Weise auf den Bergwiesen im Bereich Rechberg grasen können, ist der Kauf von Fremdfutter überflüssig. Dies spart nicht nur dem Betrieb Geld, sondern der Umwelt jenen CO2-​Ausstoß, der beim Futtermitteltransport über lange Strecken zwangsläufig anfällt.
Um Energie zu sparen, möchte Johannes Schabel auch die heute üblichen Kreiselmäher durch moderne Messerbalken-​Systeme ersetzen. „Dies bedeutet ein Drittel weniger Dieselverbrauch und zugleich weniger Bodenschäden.“ Zudem wachse das Gras nach einem Messerschnitt schneller nach und stehe demzufolge auch früher wieder als neues Grünfutter zur Verfügung. Das zeit– und energieaufwändige Silieren möchte Schabel jun. ebenfalls Stück für Stück abbauen. Zu den biologischen Vorteilen des klassischen Grün– oder Raufutters kommt bei der Familie Schabel noch ein anderer Grund: „Wir haben Feriengäste auf unserem Hof. Und Heu dufte einfach angenehmer als Silage.
„Eine zukunftsfähige Landwirtschaft bedeutet in vielerlei Hinsicht auch eine Renaissance traditioneller Wirtschaftsmethoden“, ist Johannes Schabel überzeugt und fügt hinzu: „In der Kostenbilanz wird sich in Zukunft das Verhältnis von Arbeitskraft und Energie drastisch ändern.“ Als noch keine fossilen Energieträger für die breite Masse zur Verfügung standen, waren sowohl bei der Produktion als auch bei der Vermarktung die Wege kurz. Dieses Denken werde angesichts der zu Ende gehenden Ölvorräte wieder in den Vordergrund treten.
„Viel Technik verbraucht auch viel Energie — und weniger Technik spart deshalb Energie“, lautet die kurze Formel, nach der Johannes Schabel seinen Betrieb umorientieren will. Dies bedeutet nicht, dass sich der gelernte Landwirt und angehende Landwirtschaftsmeister modernen Entwicklungen verweigert. Auch er nutzt zum Beispiel die moderne EDV für die Führung seines Betriebs und hält viel von den technischen Möglichkeiten, regenerative Energie effektiv zu nutzen. Er warnt aber vor blinder Technikgläubigkeit und vor einer kostenträchtigen „Übertechnisierung“ der Landwirtschaft. Aufs Handy verzichtet er schon seit fünf Jahren, und auch die Datenerfassung für sein Projekt erledigt er unterwegs nicht mit dem Laptop, sondern trägt alles zunächst von Hand in ein Notizbuch ein.
Landwirte seien seit altersher „Ökonomen“, die im Rahmen der Veredelungsstrategie aus wenig viel machen sollten. Zum Beispiel aus einfachem Gras wird Milch, Käse oder Fleisch. Für Johannes Schabel bedeute Ökonomie auch, dass er so wenig wie möglich zukauft und lieber das nutzt, was auf dem eigenen Land wächst. Auf einen Lastzug, der Kraftfutter anliefert, wird man auf dem Oberen Stollenhof vergeblich warten. Im Grunde wirtschaften die Schabels so, wie es die Bauern in den Alpen seit alter Zeit gemacht haben. Und die Milchprodukte der Bergbauern stehen ja schon sprichwörtlich für eine besonders hohe Qualität.
Dass Traditionsbewusstsein und modernes Denken kein Widerspruch sein müssen, zeigt die Energie-​Philosophie auf dem Oberen Stollenhof. In alter Zeit wurde schon auf dem Unteren Stollenhof mit Hilfe der Wasserkraft aus einer starken Quelle eine Dreschmaschine angetrieben — und Wasserkraft soll künftig wieder genutzt werden, um zum Beispiel den Strom für die Melkmaschine zu erzeugen. Auch Fotovoltaik und eine für private Nutzer konzipierte Vertikal-​Windkraftanlage sind Teil des Energiekonzepts für den Oberen Stollenhof. „Egal ob es sich um Futter oder um Energie handelt — wenn ich etwas nicht kaufen muss, ist das für mich eine Lohnerhöhung“, kommentiert der Jungbauer.
Begleitet wird Johannes Schabel bei seiner Studie von Wilfried Dieterich. Der Obergröninger ist im Landwirtschaftsamt Göppingen auch als Fachberater für Bauern tätig und würdigt Schabels Denkansatz als zukunftsweisend. „Es setzt inzwischen ein Umdenken bei der Beratungstätigkeit der amtlichen Stellen ein. Statt mit hohem Aufwand möglichst große Mengen zu produzieren, wollen immer mehr Betriebe lieber die Produktionskosten drücken und ihre Einkommen n nicht hauptsächlich über die Quantität, sondern über die Qualität verbessern.
Dass sich die Familie Schabel so intensiv Gedanken über die Wirtschaftsweise der Zukunft macht, begrüßt der studierte Agrarfachmann sehr. „Als Berater kann man einem Bauern nur Hilfestellungen anbieten — aber die Marschrichtung können wir nicht diktieren. Da muss schon jeder selbst wissen, wo er hin will“! Deshalb warnt Dieterich auch sehr davor, den Beruf des Landwirts zu unterschätzen. „Landwirtschaft ist heute ein komplexes Thema und erfordert viel theoretisches Wissen. Da ist eine fundierte Ausbildung unerlässlich“. Die Art und Weise, wie Johannes Schabel seine Meisterqualifikation anstrebe, sei deshalb beispielhaft.