Wo die Auerochsen wieder weiden: Im Rahmen der Bachrenaturierung des Sixenbachs wurde ein Beweidungsprojekt mit rückgezüchteten Rindern initiiert

Ostalb

Rems-Zeitung

Immer öfter machen sich Vereine und Institutionen aus dem Gmünder Raum auf, um hautnah zu erleben, was Totalrenaturierung eines Baches bedeutet.

Donnerstag, 29. September 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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OSTALBKREIS (rz). Im Sixenbachtal, zwischen Schleifhäusle und dem Haus Josefstal der Comboni-​Missionare, hat der Orden gemeinsam mit dem Landschaftserhaltungsverbands Ostalbkreis (LEV) die in den 30er Jahren erfolgte Begradigung des Sixenbachs rückgängig gemacht. Auf einer Bachlänge von 1500 Metern wurden Mäander angelegt und ein naturnaher Querschnitt hergestellt, vor allem weiden jetzt auf dieser etwa sieben Hektar großen Auefläche wieder Auerochsen. Erst jüngst erkundete die Untergröninger Ortsgruppe des SAV dieses zurückgewonnene Paradies.
Die Mäandrierung des Bachlaufs ist ein natürlicher Beitrag zum Hochwasserschutz. Sixenbachtal-​Pächter Martin Hertlein, der im Missionshaus die Schreinerei der Missionare betreibt, hat dann angefangen, Auerochsen anzusiedeln. Der Auerochse oder Ur ist der Stammvater der europäischen Hausrinder. In Mitteleuropa wurden die letzten Tiere im 15. Jahrhundert geschossen. Erst im 20. Jahrhundert begann die Rückzüchtung, und mittlerweile werden sie gezielt in der Landschaftspflege eingesetzt. Leitkuh Elisa weidet seit Dezember 2008 am Haus Josefstal; weitere Kühe folgten, Stier Amir kam 2009 zur kleinen Herde und Jungstier August war das erste dort geborene Tier; dann kamen Emmi und die Zwillinge Else und Arno auf die Welt. Die sieben Hektar große Weide bietet Platz für rund 15 Stiere, Kühe und Kälber, die das ganze Jahr über im Freien leben.
Fast eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis das idyllische Sixenbachtal auf dem 7,5 Hektar großen Gelände der Comboni-​Missionare bei Ellwangen in ein Paradies für Fauna und Flora verwandelt und der jahrzehntelang fast schnurgerade durch das Gelände fließende Sixenbach wieder in seinen Urzustand versetzt war. Der in früheren Jahren als Badesee und Fischzuchtanlage genutzte Weiher am Eingang wurde der ursprünglichen Geländeform angepasst. Im Lauf der Zeit möchte Martin Hertlein auch ihn zum Vorzeigeprojekt werden lassen.
Der Damm, der den Ellwanger Ortsteil „Schleifhäusle“ vor Hochwasser schützen soll, ist inzwischen begrünt, der unwegsame Schotterweg dahinter gerichtet und geteert. Der seit längerem geplanten Installierung der Infotafeln mit Erläuterungen zu den Besonderheiten des renaturierten Geländes steht nun nichts mehr im Wege. Schon jetzt lohnt ein Besuch allemal: Das Bächlein plätschert, Libellen flügeln, an den Ufer blühen Iris und Schwertlilie. Es gibt wieder Stein– und Schlammfliegen, zudem die seltene Zuckfliege und den am Sixenbach bislang noch nicht vorgekommenen Bachflohkrebs. Naturschützer hoffen, dass auch das sehr selten gewordene Bachneunauge heimisch wird, das seit langem vom Aussterben bedroht ist.
Der Name „Comboni-​Missionare“ verweist auf den Gründer, Daniel Comboni (1831 – 1881), der sich in Afrika gegen den Sklavenhandel eingesetzt hat. Er gründete Schulen, Krankenhäuser und Werkstätten, errichtete Brunnen und landwirtschaftliche Betriebe. Bis heute folgen die Comboni-​Missionare ihrem Leitmotiv „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das Missionshaus Josefstal war die erste Niederlassung in Deutschland. Zum Selbstverständnis der Brüder gehört es, nicht nur für Menschen, sondern auch für die Natur Verantwortung zu übernehmen.