Rottweiler-​Geschichte mit gutem Ende

Ostalb

Rems-Zeitung

„Déjà vu“, schon mal gesehen, schon mal gehört. Die Nachricht, die vor zweieinhalb Wochen der Nachbarkreis meldete, 20 Rottweiler seien bei Wäschenbeuren beschlagnahmt worden, kam vielen hier im Gmünder Raum nicht von ungefähr bekannt vor. Vor ziemlich genau zwei Jahren verdoppelte sich quasi über Nacht auch die Hundepopulation im Tierheim Dreherhof von 23 auf 46 Hunde, nachdem das Veterinäramt in Bargau insgesamt 20 ausgewachsene Rottweiler und drei Welpen beschlagnahmt hatte. Viel zu viele Tiere wurden in beiden Fällen nicht gezüchtet, sondern unkontrolliert vermehrt.Einer der Rottweiler aus Wäschenbeuren war tot, die anderen wurden in Sicherheit gebracht. Wenig überraschend: Es handelt sich um die selbe Halterin – die wohl unmittelbar nach dem Bargauer Geschehen damit begonnen hatte, einen neuen Akt des Tierdramas zu inszenieren.

Donnerstag, 24. April 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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OSTALBKREIS /​GÖPPINGEN. (bt) „Wegen nicht artgerechter Haltung“ einer Züchterin all ihre Tiere zu entziehen, das geht nicht einfach so. Diese Hundehalterin aber, so nunmehr zwei Veterinärämter, bringe nicht die Voraussetzungen mit, so viele Tiere zu versorgen. Bevor die Rottweiler-​Rotte vollends dem Dreherhof übereignet wurden, stand bereits 2010 das entsprechende rechtliche Verfahren an, das sich als nicht anfechtbar erwies.
Dreherhof-​Chef Hans Wagner erinnert sich gut an einen Samstag Ende März 2011, an dem genau dieser Schritt alternativlos geworden sei. Die Hundehalterin hatte zuvor in Zimmern gewohnt, wo sie mit ihren vielen Hunden auffiel – die wohl auch schon mal die Hühner der Nachbarn jagten –, bis sie „quasi über Nacht“, wie dem Dreherhofteam damals erzählt worden war, nach Bargau zog. Dort habe sie die Hunde im Keller eines Wohnhauses untergebracht. An diesem sehr frühen Samstag waren die Hunde durch ein Fenster entkommen und hatten den Ort durchstreift. Das Veterinäramt wurde eingeschaltet, der Dreherhof vor vollendete Tatsachen gestellt: Nirgends sonst könne man die Hunde unterbringen. Und so wurden sie mit vereinten Kräften der Tierschützer, der Polizei und der Feuerwehr ins Tierheim des Ostalbkreises gebracht. Wagner zufolge waren sie damals dünn und ausgehungert – „am liebten hätten sie die Schüsseln mitgefressen“ – aber sonst in ordentlichem Zustand. Einige „pubertierende Rüden“ wollten’s wohl wissen, die Tiere waren auch sichtlich gestresst, nicht jedoch aggressiv. Recht bald konnte damit begonnen werden, die Neuzugänge anderen Tierheimen zu überlassen bzw. zu vermitteln. Erst später hat Wagner erfahren, dass die Halterin, die praktisch vom ersten Tag an versucht habe, ihre Tiere zurückzuholen, einige der abgegebenen Tiere über Dritte wieder in ihren Besitz brachte – bis nach Filderstadt, Friedrichshafen oder Ansbach sei sie dabei gekommen. Dass sie sofort wieder anfing, immer mehr Tiere zu halten, überrascht Wagner wenig: Das habe sich abgezeichnet. Auch, dass es wieder zu Problemen kommen würde: „Die hatte die Hunde nie im Griff.“ Nach einer Privatinsolvenz habe der Dreherhof nie Geld gesehen – und die als „Fressmaschinen“ bekannten Rottweiler angemessen zu versorgen, geht richtig ins Geld.
Veterinäramt sieht Anzeichen
für „Animal Hoarding“
Es kam wie es wohl kommen musste: Viel zu viele Tiere auch im Nachbarkreis, zudem auch in keiner Weise angemessen untergebracht und versorgt – zu wenig Futter, überall Kot und Urin; von einer Mäuseplage wird berichtet, von Ausbruchsversuchen, deren Spuren sich im zerstörten Mobiliar zeigten. In einem Raum lag ein toter Hund. Die Rottweiler hatten offenkundig gelitten, sagen die, die die Tiere abgeholt haben. Dr. Michael Pettrich, Leiter des Göppinger Veterinäramtes, meinte, die Halterin sei völlig überfordert gewesen und habe offenbar immer nur die Hunde versorgt, zu denen sie durchgekommen sei. Er sieht deutliche Zeichen für das so genannte „Animal Hoarding“ – ein Krankheitsbild, das zwanghafte Sammler beschreibt, die weit mehr Tiere aufnehmen, als sie versorgen können. Das vorgeschriebene rechtliche Verfahren ist mittlerweile auch im Nachbarkreis abgeschlossen; die Tierherberge Donzdorf und der Tierschutzverein Göppingen haben die Übereignungsangebote akzeptiert – in Göppingen hatte es Gerüchte gegeben, die Tiere würden versteigert. Dem ist nicht so. Auch sind die Tiere keinesfalls in so schlechtem Zustand, wie verschiedentlich dargestellt.
Jetzt zeichnet sich gar ein Happy End ab. Die neun Hunde in der Tierherberge Donzdorf etwa sind in gutem Zustand. Mittlerweile sind alle kastriert und gechipt, vom Amt offiziell freigegeben und somit im Eigentum des Vereins. Vorsitzende Heinzmann berichtete gestern voller Freude, Rottweiler „Luis“ habe bereits eine liebevolle Familie gefunden, deren Hund gestorben war: „Ich hoffe, dass sie alle Frieden und eine gute Familie finden. Es sind tolle Hunde, gesund, mit guten Hüften und normalen Blutwerten, und psychisch zeigen sie sich überhaupt nicht gestört.“ Aber auch Martina Heinzmann berichtet von wiederholten Versuchen der ursprünglichen Halterin, die Tiere wieder in ihren Besitz zu bringen. Wird wieder an einem neuen Akt des Dramas gearbeitet? Dr. Pettrich winkt ab. Zunächst sei ein Hundehaltungsverbot im Gespräch gewesen, nach Prüfung aller Faktoren wurde nun aber ein komplettes Tierhaltungsverbot ausgesprochen: „Wir sind zuversichtlich, dass das Bestand hat.“ Die 59-​Jährige, die ihren Rottweilern durch fehlgeleitete Tierliebe sehr geschadet hat, wird in absehbarer Zeit keine Hunde mehr halten.