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Die wichtige Rolle der Landwirtschaft im Ostalbkreis stärker in den Blickpunkt rücken

Milch entsteht nicht im Tetra-​Pack und ein Schnitzel wächst auch nicht in der Folienverpackung. Fakten, die leider so manchem Kind heute nicht mehr bewusst sind. Bauern, die Stadt und der Landkreis möchten daher die Rolle der Landwirtschaft für die Ostalb stärker in den Blickpunkt rücken.

Sonntag, 14. September 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


Gerold Bauer
SCHWÄBISCH GMÜND. Die Landwirtschaft hat nicht umsonst ihren Platz auf der Gartenschau. Ganz bewusst soll der starke Publikumsverkehr genutzt werden, um bei der Bevölkerung das Interesse an historischer und moderner Landwirtschaft zu wecken. In mittelalterlichen Gewändern führten „Bauern“ vor, wie mühsam in alter Zeit mit Hilfe von Dreschflegeln die Spreu vom Weizen und die Linsen von den Hülsen getrennt werden mussten.

Das große Veranstaltungszelt füllte sich Zug um Zug, als dort die Veranstaltung „Mehr voneinander wissen — Erzeuger und Verbraucher im Dialog“ über die Sparkassenbühne ging. Anton Weber, Vorsitzender des Bauernverbandes Ostalb, machte bei der Begrüßung deutlich, dass die Bevölkerung in den Medien oft ein falsches Bild von der Landwirtschaft vermittelt bekomme und dass Bauern und Verbraucher zuwenig voneinander wissen. „Es gibt inzwischen sogar auf dem Land Dörfer ohne aktive Bauern!“ sagte Weber.
Zunächst hielt Dr. Clemens Dirscherl, Beauftrager der evangelischen Kirche für landwirtschaftliche Themen, ein Impulsreferat. Die Bitte „Unser täglich Brot gib uns heute“ sei aus gutem Grund ein Teil des christlichen „Vater unser“. Über Jahrhunderte sei es auch in Deutschland nicht selbstverständlich gewesen, dass jeden Tag der Tisch reich gedeckt war. Als es in der Nachkriegszeit den Menschen immer besser ging, dachte niemand an kalorienarme Ernährung, sondern strich sich reichlich Butter aufs tägliche Brot. Menschen, die ein Ziel erreicht haben (in diesem Fall das Gefühl, satt zu sein), tendieren aber dazu, sich neue Ziele zu stecken. Im Laufe der Zeit begannen Verbraucher daher, höhere Ansprüche an die Qualität zu stellen und sich an Handelsklassen zu orientieren. Später rückte eine gesunde Ernährung in den Vordergrund. Als ab den 90er-​Jahren gesunde Lebensmittel in Hülle und Fülle zur Verfügung standen, machte man sich Gedanken über ethische Fragen bei der Nahrungsmittelerzeugung. Dirscherl warnte eindringlich vor völlig überzogenen Standards, bei denen viele deutsche Bauern nicht mehr mithalten können oder wollen. „Wenn immer mehr Familienbetriebe hier aufhören, sind wir von Lebensmittelimporten abhängig und haben keinen Einfluss mehr darauf, ob unsere Standards in den Erzeugerländern eingehalten werden!“ Den Umstand, dass zwei Drittel der Kindern keinen realistischen Bezug mehr zu Nutztieren haben, wertete der Redner als Versagen der Eltern und der Gesellschaft.
Landrat Klaus Pavel machte deutlich, dass es im Ostalbkreis etwa 60 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und nochmal so viel Wald gebe. „Die Landwirtschaft und die etwa 3000 damit verbundenen Arbeitsplätze sind mir sehr wichtig“, versicherte er und plädierte für eine stärkere regionale Vermarktung. Auch der Schutz landwirtschaftliche Produktionsflächen werde vom Landkreis nicht vergessen. Man dürfe nicht vergessen, dass die schöne Kulturlandschaft der Ostalb das Ergebnis einer jahrhundertelangen Bewirtschaftung durch Bauern sei. Dies gelte es zu erhalten — auch mit kommunaler Unterstützung.
OB Richard Arnold räumte ein, dass auch auf Gmünder Gemarkung die Zahl der aktiven Landwirte rückläufig sei. Allerdings gebe es immer mehr Menschen, die in der Bewirtschaftung von Flächen, zum Beispiel von Streuobstwiesen, und in der Haltung von Nutztieren ein schönes Hobby zu sehen. „Ich komme ja selbst aus einer kleinen Landwirtschaft und bin wohl weit und breit der einzige Oberbürgermeister, der richtig Melken oder Schnapsbrennen kann. Diese Wurzeln haben mir zeitlebens dabei geholfen, bodenständig zu bleiben!“ Die Stadt Gmünd setze sich dafür ein, Bauern eine Chance zu geben. Es sei aber nicht zu leugnen, dass es auch hier Zielkonflikte zwischen Bauern und anderen Bürgern gebe. Zum Beispiel fehle es manchem Spaziergänger oder Radfahrer bei der Nutzung der Feldwege an der nötigen Rücksicht auf die Bauern.
Dr. Dirscherl machte deutlich, dass landwirtschaftliche Themen auch in der modernen Kirche noch eine Rolle spielen — nicht nur in Form der Erntedankfeste und dergleichen. Denn die Kirche sei auch Eigentümer von Ackerland und denke bei Pachtverträgen über Auflagen zur Gentechnik oder Klärschlammausbringung nach. Nicht zuletzt sei Landwirtschaft im Hinblick auf die Welternährung ein bedeutendes Thema für die Kirchen.
Katja Abele, Agraringenieurin und Hofnachfolgerin, repräsentiert die moderne Landwirtschaft. „Unser Beruf ist sehr vielseitig und anspruchsvoll!“, betonte sie. „Die meisten Betriebsinhaber sind heute als Meister, Techniker oder Ingenieure sehr gut ausgebildet. An die Verbraucher appellierte die Bäuerin, mit dem Einkaufskorb die heimische Landwirtschaft zu unterstützen. Wenn schon nicht durch Kauf beim Direktvermarkter, dann wenigstens durch Bevorzugen deutscher Produkte im Supermarkt. Diese seien bestens kontrolliert. Man müsse sich auch keine Sorgen wegen Medikamenten in der Tierhaltung oder Pflanzenschutz im Ackerbau machen. „Diese Sachen sind so teuer, dass sich jeder Bauer vermeidet, wo er nur kann. Und weil nur Tiere, denen es gut geht, ihre Leistung bringen, achten nahezu alle Bauern auch von selbst auch eine artgerechte Tierhaltung!“

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