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Nachrichten Kultur

In der Theaterwerkstatt: Tourneetheater Stuttgart mit Goldonis „Diener zweier Herren“

Sie kriegen sich, die anderen auch und sogar für die Dienstboten erfüllt sich das Liebesglück in Goldonis „Diener zweier Herren“.

Donnerstag, 08. Oktober 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 26 Sekunden Lesedauer

THEATER (wil). Das Tourneetheater Stuttgart brachte dieses Paradestück der Comedia dell’arte in moderner Form und begeisterte trotzdem oder gerade deshalb sein Publikum. Vor allem Hans-​Peter Menzel als Truffaldino zeigte ein überragendes schauspielerisches Talent.
1746 in Mailand uraufgeführt, hat der „Diener zweier Herren“ schon viele Epochen überlebt. Am Freitag in der Gmünder Theaterwerkstatt erstand er ganz im Stil unserer Zeit. Dass ein Tourneetheater wie die Stuttgarter auf Kulissen und großteils auch Requisiten verzichten, darf nicht verwundern, es zeugt eher von Professionalität. Dass sie aber jeden Auftritt trotzdem punktgenau setzten, dass auch auf dem leeren Bühne nichts fehlte, ist ihrer Gestaltungsfähigkeit und ihrem Talent zuzuschreiben. So zieht die ganze Truppe geschlossen auf die Bühne, gibt einen Ton weiter und endet dann mit dem etwas schräg interpretierten „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, womit der Inhalt des Stückes hinreichend beschrieben ist.
Zunächst handeln die Familienväter Pantalone de Bisognosi und Dr. Lombardi den Ehevertrag für ihre Kinder aus und der Rest des Ensembles verharrt still auf seinem Stuhle, ein gelungener Einfall, der dem lebhaften Stück auch ohne Kulissen etwas Ruhe verschafft. Auch die Kostüme genau abgestimmt: die würdigen Familien im Business-​Anzug, Beatrice wahrt ihr Incognito im Motorradoverall und die Underdogs, Truffaldino und Smeraldina (Ricky Rickert) sind die ausgeflippten Freaks mit Schirmmütze und Leggins mit Minirock. Eine Komödie soll komisch sein, und besonders diese beiden sorgen mit allerlei Klamauk und Akrobatik für diesen Eindruck. Die Tracht Prügel, die Truffaldino von seiner Herrin bezieht, steht einem Schaukampf im Catchen in nichts nach und seine „Auftritte“ als Motorradkurier zeugen von hoher Pantomimekunst.
Eigentlich ist Clarice in ihrem Petticoat ja dem Turiner Federico Rasponi versprochen, doch der soll tot sein und so darf sie Silvio Lombardi ehelichen, den sie ohnehin liebt. Doch plötzlich taucht der Todgeglaubte persönlich auf, um Forderungen einzutreiben und sorgt für die nötige Verwirrung in Sachen Ehre und Liebe. In Wahrheit ist aber nicht Federico angereist, sondern seine Schwester Beatrice in Männerkleidern unterwegs.
Neben den finanziellen Außenständen will sie auch ihren Geliebten Florindo nach Hause bringen, der natürlich im gleichen Gasthof wie sie Quartier bezieht. Um die Paare nun zusammenzubringen und die komödienhafte Handlung zu schaffen, hat Goldoni den Truffaldino erfunden. Er ist zu allem fähig, ungebildet aber schlau, ihn plagt der Hunger und so geht er seine Berufschancen durch und versucht sich als Bettler in deutsch-​türkischem Mantaslang („Ey, haste mal ´nen Dukaten oder so?“). Aber der Himmel schickt ihm mit Beatrice und Florindo gleich zwei Fremde, die einen Diener suchen.
Natürlich sind viele Briefe abzuholen und zuzustellen und da Truffaldino nicht lesen kann, sind die Verwechslungen programmiert. Wie verheimlicht er seinen Herren, dass er zwei davon hat?
Die wahre Stresssituation ergibt sich dann beim Servieren des Mittagessens, wo er in zwei Zimmern gleichzeitig aufträgt und dazwischen noch genug Zeit findet, selbst satt zu werden. Schließlich sind in seiner Outdoorhose genügend Taschen für ein komplettes Besteck.
Situationskomik en masse also, die leicht über das Alter des Stückes und die fehlende Ausstattung hinwegtäuscht. Das Tourneetheater Stuttgart hat mit der Inszenierung von Wilfried Alt eine spritzige Boulevardkomödie geboten, die die historische Handlung mit aktuellen Einschüben aufs Trefflichste verquickt.
Getreu der Textvorlage ziert sich Fräulein Clarice (Christina Kuever) vor dem Werben ihres Silvio (Matthias Heerlein), doch bei der Liebesszene zwischen Beatrice und Florindo stimmt das Ensemble dann eben „Ti amo“ an — und wie sehr es solche Aufführungen liebt, zeigte auch das Publikum, allerdings konventionell mit Beifall.

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