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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Dr. Richard Strobels neues Buch Wasserspeier wurde gestern in der Johanniskirche präsentiert

Die Wasserspeier des Münsters sind eine Welt für sich: Geschaffen, um in großer Höhe das Regenwasser aufzufangen, aber auch, um unablässig zu wachen über Gotteshaus und Menschen. Noch heute reißen Originale aus Parler– Zeiten die Mäuler auf und sind durchaus willens, ihre Geheimnisse preis zu geben – wenn einer wie Richard Strobel bereit ist, sich auf sie einzulassen.

Freitag, 13. November 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 47 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). „Er hat sein Opus Magnum um einen weiteren Band ergänzt“ freute sich gestern Baubürgermeister Julius Mihm an Richard Strobels jüngstem Werk „Wasserspeier“. Auf 248 Seiten und mit 335 Abbildungen wird den Gmündern ein bislang vernachlässigter Aspekt des Münsters präsentiert.
Zunächst stellte Mihm insbesondere den Stuttgarter Gästen die Johanniskirche vor; den Gmündern rief er deren Bedeutung in Erinnerung, und allen gemeinsam versicherte er, wie wichtig es war, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ihrer in der Stauferzeit erbauten romanischen Kirche angenommen und unter anderem das Turmprojekt finanziert haben. Mit gutem Grund wurde Richard Strobels „Wasserspeier“ ausgerechnet hier vorgestellt: Die Wasserspeier im romanischen Stil haben zwar mit den gotischen des Münsters nicht viel gemein, aber in der Johanniskirche werden 20 Münster-​Wasserspeier gelagert, unter ihnen einige der schönsten erhaltenen Originale. Vor dieser Kulisse nahmen die Gäste ein bisschen Frieren und Frösteln gerne in Kauf, zumal die Stadt anschließend zu einem kleinen Empfang im – geheizten – Prediger bat. Julius Mihm nahm Richard Strobels zentrale Aussage vorweg, als er, unverkennbar fasziniert, vom „Schutzschild“ sprach, von der mittelalterlichen „Drohkulisse“, die dazu bestimmt war, alles Unheil vom Münster, von der Stadt selbst fern zu halten. Wer sich mit diesem Wissen auf den Münsterplatz stelle, so Mihm, erhalte eine Vorstellung von der Angst, vom starken Bewegtsein des mittelalterlichen Menschen in seiner geistigen Welt.
Landeskonservator Prof. Dr. Michael Goer stellte die Aufgaben und die wichtigsten Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege vor, unter ihnen die Reihe „Forschungen und Berichte zur Bau– und Kunstdenkmalpflege in Baden– Württemberg“, deren 14. Band Strobels Arbeit ist – „Wasserspeier, Bestand und Bedeutung am Beispiel des Heiligkreuzmünsters in Schwäbisch Gmünd“. Wie Goer ging Münsterpfarrer Robert Kloker mit herzlichem Dank und Anerkennung auf Richard Strobels Verdienste ein. Gmünd lasse den Autor nicht los, so Kloker mit Blick auf Strobels vierbändiges Inventar „Die Kunstdenkmäler der Stadt Schwäbisch Gmünd“ und insbesondere auf sein Interesse am Münster: „Wir können uns glücklich schätzen, einen Autor gefunden zu haben, der diese Kirche ausreizt“. Dass das Münster ein so hervorragend dokumentierter Sakralbau ist, sei zum großen Teil Strobels Verdienst.
Richard Strobel selbst machte seinem Publikum bewusst, dass immer nur Teilaspekte zu sehen sind: Von unten sind Wasserspeier nur mit dem Fernglas richtig auszumachen, von oben, etwa beim Galerierundgang mit Münsterarchitekt Hermann Hänle, zeigen sie sich als Rinne, also buchstäblich rückgratlos. Viel mehr als Wasserableiter seien sie freilich, so der Historiker, der Wasserspeier in ganz Deutschland untersucht hat und sie nun als „Bedeutungsträger“ vorstellt. Um den Gmünder Ursprüngen gerecht zu werden, musste er zunächst untersuchen, welche Figuren zu Zeiten der Parler fürs Münster vorgesehen waren – derzeit ist kein einziges Original am Münster zu sehen, wie Strobel anhand alter Zeichnungen und Fotos belegen kann. Immer wieder wurden sie abgenommen und erneuert.
Wasserspeier ist ein junges Wort: Der ursprüngliche Wortstamm findet sich heute noch in „gurgeln“ oder ihren englischen Vettern, den „Gargoyles“. Zunächst wurden vor allem Drachen, Widder – überhaupt viele gehörnte und geflügelte Tiere, – Hunde, Affen etc. aus dem Stein geschlagen. Strobel sieht darin die alte These von den beschützenden Wasserspeiern bestätigt: „Eine Abwehrphalanx gegen Dämonen der Lüfte, die man mit ansonsten unerklärlichen Unwettern identifizierte“. In der Gotik strebt alles nach oben; Ausnahme sind die wehrhaften, waagrecht abstehenden und wie zum Angriff bereiten Wasserspeier. Justinus Kerner hat einst beschrieben, welche Töne ein Sturm den Wasserspeiern entlocken kann; Strobel erklärte dazu, in einer laut gewordenen Welt gehe das unter: „Aber wie muss das auf den mittelalterlichen Menschen gewirkt haben“.

Wer Feuer gefangen hat für Wasserspeier, die eben dieses sowie alles andere Unheil fern halten sollten, dürfte an Richard
Strobels im Buchhandel erhältliches Werk Freude haben, Rose Hajdu hat ganz bemerkenswerte Fotos beigesteuert.

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