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Daimler-​Kunstsammlung im Museum

Seit die Maler in der Renaissance die Perspektive einführten, entstehen in ihren Bildern Räume, die zugleich etwas über die Stellung des Menschen in der Welt aussagen. Darum ging es in einem Gespräch mit einem Künstler, dessen Thema schlechthin Raumkonzeptionen sind:Ben Willikens Von Reinhard Wagenblast

Freitag, 17. Juli 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 53 Sekunden Lesedauer

KUNST. Ein Bild von Ben Willikens ist in der Daimler-​Kunstschau im Museum zu sehen, der „Raum 37“(1984), in welchen der Betrachter hineinblickt wie in eine Theaterbühne, die einen Durchgang ins Weiße lässt. Kommt hier — als weißes Leuchten im hellen Grau — das Metaphysische wieder herein, das aus der modernen Kunst purgiert schien? Oder handelt es sich nur um ein weißes Rauschen?
Die Darstellung von Räumen ist ein Lebensthema von Ben Willikens, seit 40 Jahren befasst sich der mittlerweile 70-​jährige frühere Rektor der Münchner Kunstakademie damit. Im Künstlergespräch am Mittwoch im Prediger-​Museum, besucht von zwei Dutzend Kunstinteressierten, befragte ihn Renate Wiehager, die Leiterin der Daimler-​Kunstsammlung, nach der Tradition, in die er steht. Natürlich gibt’s die; und so, wie die Daimler-​Kunstsammlung die klassische Moderne pflegt, fällt die Antwort nicht schwer — Ben Willikens Ausführungen begannen vor der großen farbigen Zeichnung des Bauhäuslers Oskar Schlemmer von 1911, in der Raum und Figuren als gleichwertig auftreten:_ Wo sonst in der frühen Moderne die Figur demontiert werde, setze sie Schlemmer noch idealtypisch und statuarisch ein, ein Anklang an das alte Griechenland.
Willikens sah darin einen Ausdruck des Pathos der 20er Jahre, als noch eine positive Zukunft möglich schien: „das gelingt uns nicht mehr.“ Den utopischen Menschheitsversprechen folgten die Menschheitsverbrechen, man langt rasch bei Adorno und der Dialektik der Aufklärung an, und Schlemmer wird für Willikens ein „verlorener Ritter“, der von längst verlorenen Schlachten träumte. Das Feld nach der Perspektive beackerte ein anderer, sehr einflussreicher Bauhaus-​Maler: Josef Albers. Eine Ahnung, „ein Nachhall von Raum“ finde sich in seiner „Hommage to the Square between two Scarlets“ (1962). Hier bilde die Farbe selbst den Raum, ansonsten herrsche der Abschied von allem Überflüssigen. Doch es geht noch minimaler, noch mehr gegen Null, hin zu Zero und der gleichnamigen Bewegung in den 50er– und 60er-​Jahren, in der Ausstellung illustriert mit Werken wie Heinz Macks „Lichtfeld II“ und Enrico Castellanis „Superficie bianca No. 18“ — das Bild ist nicht mehr das Loch in der Wand, das man mit Phantasie füllt, sondern es steht ohne Botschaft vor der Wand. Wenn nicht das Licht wäre, mit dem sich Künstler wie Ben Willikens von der Abstraktion lösten und es als Aufgabe formulierten, den Raum in die Geschichte zurückzuholen. Schwieriger als die Reflexion über das Werk anderer ist die Bestimmung der eigenen Position. „Raum 37“ wertete Willikens als „Übergangsbild“. Hinter dem Licht das Dunkle? — „Große Kunst entsteht aus einem Abgrund“, sagt Ben Willikens. Der Künstler verbrauche die Emotionalität in der Form, „der Betrachter füllt das Gefäß.“

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