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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Im Rahmen einer außergewöhnlichen Alarmübung war erstmals in Gmünd auch die Grubenwehr aus Heilbronn im Einsatz

Das war alles andere als eine normale Feuerwehrübung, die am Samstag in Schwäbisch Gmünd „unter Tage“ über die Bühne ging. Denn es zeigte sich, dass auch ein zunächst relativ kleines Unglück in den besonderen Raumbedingungen und physikalischen Bedingungen einer weitläufigen Tunnelbaustelle große Wirkung hat. Und auch schlimme Folgen auslösen könnte, wenn nicht sofort ausreichend Rettungsexperten mit teils ganz speziellen Ausrüstungen parat stehen würden. Von Anton Schmitz

Montag, 25. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Besonders die Gmünder Feuerwehr bereitet sich derzeit in Zusammenarbeit mit Polizei, Rettungsdiensten und THW auf die für sie völlig neuen Herausforderungen im Hinblick auf die Fertigstellung des 2,2 Kilometer langen Salvatortunnels im Jahr 2012 in Notfallplänen vor. Allzu viele Brandkatastrophen der letzten 20 Jahre haben tragisch vor Augen geführt, was passieren kann, wenn Organisation und Technik versagen. Ein Straßentunnel mit Gegenverkehrsbedingungen, wie in Gmünd, birgt dazu naturgemäß einen höheren Risikofaktor als ein Autobahntunnel. Doch schon während der Bauphase muss die nicht unkomplizierte Rettung funktionieren.
Das bildete den Hintergrund, als Regierungspräsidium Stuttgart, die Feuerwehr Schwäbisch Gmünd und die Polizei für Samstagmorgen eine Alarm– und Notfallübung ansetzte. Sie wurde zunächst weitgehend geheimgehalten, um das ganze Szenario so realitätsnah wie nur möglich durchzuspielen. Eine sehr große Schar von Vertretern des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Landesbergbaubehörde, darunter auch der Stuttgarter Regierungsbranddirektor Frieder Lieb, verfolgten die Notfallübung. Wie aus den Reihen dieser auffallend vielen Beobachter von Polizei und Behörden durchdrang, sei es natürlich auch im Vorausblick auf die rege Tunnelbautätigkeit im Rahmen des Jahrhundertprojektes Stuttgart 21 von ganz erheblichem Interesse, sich über Probleme, Ausrüstung und Einsatzoptionen bei einem Tunnelbaustellen-​Unglück ein Bild zu machen.
Stadtbrandmeister Bernd Straile hatte das Übungsszenario ausgetüftelt: Etwa bei Tunnelmeter 550 gerät durch einen technischen Defekt eine der großen Baumaschinen in Brand. Das Feuer findet in Dieselkraftstoff, Leitungen und Kabeln seine Nahrung. Die Evakuierung der meisten Mineure funktioniert aufgrund der Notfallpläne bestens. Doch zwei vermutlich verletzte Arbeiter bleiben vermisst. Dies wird sofort anhand jener Tafel am Tunnelzugang bekannt, die den Sicherheitsbeauftragten besonders streng am Herzen liegt. Diese Anzeigetafel mit Namenskärtchen gibt immer und absolut exakt an, wer sich gerade im Tunnel und an welchem Arbeitsabschnitt befindet. Auch die wenigen Ausnahmebesucher müssen dort eingetragen werden. Denn immerhin geht es zwischenzeitlich über 1000 Meter weit und bis zu 125 tief „in den Berg“. Bedingungen, die durchaus mit einem Bergwerk gleichzusetzen sind.
Als erste Rettungsmannschaft rückt die Gmünder Feuerwehr unter Zugführer Achim Kiefer an. Sicht– und spürbar sofort die Wirksamkeit bereits vorliegender Notfallpläne, denn es herrscht professionelle Ordnung: Bereitstellung der Fahrzeuge mit allen eventuell notwendigen Teams an einem Lotsenpunkt oben am Baustofflager. Aufbau der Einsatzleitung mit einer Führungsgruppe an einer Zwischenstation. Nur das wird direkt an den Tunneleingang beordert, was wirklich benötigt wird. Das verhindert ein Durcheinander, die Retter sprechen gerne von der „Chaosphase“, die bei großen Unglücken oft passiert, jedoch vermeidbar ist.
Einsatz eines Feuerwehr-​Quads
könnte Gold wert sein
Gold wert ist der Versuch des Einsatzes eines neuen Feuerwehr-​Quads. Ein Trupp mit Atemschutzgeräten kann auf diesem kleinen und flinken Fahrzeug gleich zur Erkundung starten, um nachzuschauen, inwieweit der Tunnel ganz weit hinten verqualmt ist und welchen Umfang das Feuer hat. Gleichzeitig besetzen Feuerwehrleute und Rettungsdienst auch einen geländegängigen Unimog-​Sanitätskraftwagen, den die Bauleitung von der Bundeswehr übernommen hat, um auf den riesigen Tunnelbaustellen im Falle von Arbeitsunfällen eine schnelle Rettung zu gewährleisten.
Weitere Tunnel-​Rettungskomponente: Die Feuerwehrleute des Hilfeleistungs-​Löschfahrzeugs HLF 20 rüsten sich mit ihren neuen Doppelflaschen-​Atemschutzgeräten aus. Diese ermöglichen ein umluftunabhängiges Arbeiten von gut einer Stunde.
Jetzt geht’s im Fußmarsch rein. Erneut hilft das Quad, indem es vorneweg im kleinen Rettungsstollen einen Anhänger mit der notwendigen Ausrüstung für Brandbekämpfung und Rettung zieht. Der gesamte Tunnel ist bereits mit Wasserleitung und Löschwasseranschlüssen ausgerüstet, so dass jetzt nicht erst zeitraubend 500 oder gar 1000 Meter Schlauchmaterial verlegt werden muss.
Jetzt auch die besondere Maßnahme: Weil die Feuerwehr aufgrund der Tunneldimension erkennt, dass sie an die Grenzen ihrer technischen und sachkundigen Möglichkeiten stoßen könnte, wird die nächstgelegene Grubenwehr der Salzbergwerke Heilbronn alarmiert. Die freiwilligen Bergwerksretter werden um Punkt 8.14 Uhr alarmiert. Um 9.45 sind sie in Begleitung von Streifenwagen der Polizei bereits vor Ort. Eine gute Zeit, denn Grubenwehrler werden ja daheim von der Alarmübung überrascht und müssen sich in Heilbronn an ihrer Rettungsstation erst versammeln, um mit ihrer Ausrüstung zu starten. In enger Kooperation mit der Polizei erfolgt bei diesen Spezialisten ein schnelle Abwägung: Transport per Hubschrauber oder Blaulicht-​Konvoi über Autobahnen und Bundesstraßen.
In diesem Fall erscheint der Landweg schneller. Grubenwehrleiter Martin Rauscher, Chef der 29 Mann starken „Unter-​Tage-​Feuerwehr“, gibt zu bedenken: „Die Hubschrauber müssten ja zunächst starten, in Heilbronn landen und beladen werden. Dann wieder Landeplatz in Schwäbisch Gmünd suchen und die Ausrüstung wieder umladen.“ Zwei Einsatzgruppen — je fünf Mann stark — plus Führungsteam sind so relativ schnell vor Ort. Mit ihren speziellen Kreislaufatemgeräten können die Berg– und Tunnelretter vier Stunden lang suchen, arbeiten und bergen.
Dazu kommt eine rustikale und unabhängige Beleuchtungs– und Kommunikationstechnik. Die Grubenwehr vertraut nicht auf Funkverbindungen, zieht notfalls Tausende von Metern Telefondraht hinter sich her. Ein kleiner, von Sicherheitsingenieur Martin Rauscher entwickelter Funkumsetzer sorgt ganz vorne oder ganz tief unten doch für Bewegungsfreiheit mittels kleiner Handfunkgeräte. Eindrucksvoll also. Alle Verletzten und Vermissten sind nach etwa zwei Stunden versorgt und gerettet.
Unter den vielen Übungsbeobachtern auch Oberbürgermeister Richard Arnold und Feuerwehr-​Dezernent Joachim Bläse. In der Auswertung und Nachbesprechung gab es reichlich Notizen. Denn allen Verantwortlichen ist daran gelegen, dass die Feuerwehr die notwendigen Ausrüstungen bekommt, um der neuen Einsatzaufgabe namens „Tunnel“ gerecht zu werden. Dazu gehören schon mal echte Feuerwehrhelme und Einsatzjacken mit der Kennzeichnung „Oberbürgermeister“ und „1. Bürgermeister“ , die bei dieser Gelegenheit von der Feuerwehr für den ganz großen Unglücksfall der Stadtspitze übergeben wurden.
Insgesamt waren rund 60 Helfer von Feuerwehr, DRK, MHD und Grubenwehr im Einsatz. Dazu Polizeikräfte aus Heilbronn, Waiblingen und Schwäbisch Gmünd. Sie sorgten für die „Blaulicht-​Eskorte“ der Retter aus Heilbronn über die Autobahn, dann quer durch den Rems-​Murr-​Kreis und nach Gmünd.

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