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Großes Format zum Mitgehen: Die bulgarische Staatsoper Rousse führte Verdis „Troubadour“ im Stadtgarten auf

Giuseppe Verdi bleibt ein Zugpferd für Opernliebhaber, so auch am Freitagabend im fast voll besetzten Parler-​Saal des Stadtgartens. Es kreuzten sich e glückliche Umstände.

Dienstag, 05. Oktober 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 6 Sekunden Lesedauer

OPER (-ry). Mit dem Vierakter „Troubadour“ hatte sich der 40-​jährige Komponist von den Ansprüchen Dritter „freigeschwommen“, denen er zu „dienen“ hatte. Nun war er selbst Herr des Handelns. Auch wenn der „Troubadour“ als teatro lirico apostrophiert wird, ist die Dramatik der rote Faden des kompakt gedrängten Inhalts: Liebe, Hass, Leidenschaft — das sind die typisch Verdi’schen Bausteine, die nie des Volkstümlichen, der Ohrwürmer aller Schattierungen entbehren. Damit sind die Vorgaben benannt, die von der Compagnia d’Opera Italiana di Milano als erfolgreichem Tourneetheater mit Verve umgesetzt werden.
Die Mehrfachbesetzung der wichtigsten Rollen erlaubt die notwendige Ökonomie solch aufwändiger Vorhaben, wobei nicht am falschen Platz gespart wird. Die souveräne Regie der Tourneeleiterin Corinna Boskovsky lässt stets die Absicht erkennen, den Besuchern die Freude eines Operngenusses zu garantieren: ohne Schnickschnack! Nicht der Regisseur setzt sich in Szene, sondern das Werk. Und so ist die Einheit von Regie, Bühne, Ausstattung, Licht, Maske und Untertitel-​Projektion einfach gelungen. Die Sänger dürfen sich auf ihr Geschäft konzentrieren. Keine Hektik, kein (verzichtbarer!) Aktionismus, sondern Fokussierung auf Inhalt und Interpretation. Der auch zeitlich aufwändige Bühnenumbau war dem bestmöglichen Ergebnis als Fundament und Radius zugleich geschuldet. Die eher sparsame Lichtregie fokussierte zudem aufs Wesentliche.
Das Orchester der bulgarischen Staatsoper Rousse hatte großes Format unter der Leitung des überaus erfahrenen Dirigenten Tamás Bolberitz, der durch Verzicht auf den üblichen Taktstock umso sensibler gestalten und führen konnte.
Der zahlenmäßig kleine Chor sang mit der nötigen Strahl– und Sprengkraft zwischen hochdramatischem und lyrischem Anspruch. Am meisten nahm Jae Hee Kim Bravi als Zigeunerin Azucena gefangen: atemberaubendes Agieren, meisterhafte Stimmführung ihres Mezzosoprans. Nicht die exponierte Tonhöhe (a b’’) oder deren Umfang, sondern die Farbe eines ganz eigenen Timbres gaben der Rolle unverwechselbare Gestalt.
Die Leonora der Manami Hema bestach durch Präsenz und makellose Höhe, auch im Piano. Die Herzensregungen hatten emotionalen Tiefgang. Wie selbstverständlich gelangen die halsbrecherischen Koloraturen — nie als eitle Demonstration ihres Könnens, sondern mit Herz.
Andrea Zese als gestandener Graf Luna gewann seiner Rolle alle sublimen Facetten ab. Der Höhe des anspruchsvollen Baritonparts stand gelegentliches Forcieren im Wege. Der vom Publikum heiß ersehnte Manrico fand in Vincenzo Maria Sarinelli einen bemerkenswerten Interpreten. Im Zenit seiner Kraft hatte er keine Probleme mit der Höhe (das berühmte hohe c’’), der Klang war merkwürdig gedeckelt im Sinne extrem nasaler Verengung. Aber was zählt das schon, wenn die Höhe strahlend steht!
Die durchaus komplexe Handlung wurde von den Akteuren mit Bravour eingelöst. Die Spannung hielt sich bis zum letzten Ton durch und selbst in den langen Umbaupausen herrschte eine angenehme Stille. Durch die gekonnte Inhalt– und Textprojektion in deutscher Sprache gewann das Miterleben der Oper ungemein. Das Publikum zeigte seine Begeisterung in permanentem Zwischenapplaus, der die Künstler wiederum beflügelte. Und wenn die Hornisten in der Pause sogar Agathes Gebet aus Webers „Der Freischütz“ zitierten, so wurde das Engagement des bulgarischen Orchesters hörbar unter Beweis gestellt. Alles in allem ein runder Abend, der die vielen Besucher zu Recht beglückte.

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