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Nachrichten Kultur

Der Philharmonische Chor Schwäbisch Gmünd führte das Weihnachtsoratorium von Carl Heinrich Graun und Bachs Magnifikat im Heilig-​Kreuz-​Münster auf

Was für eine wunderbare Übereinstimmung, wenn alle vom Dirigenten genommenen Tempi auch die idealen des Rezensenten sind. Stephan Beck, der spiritus rector des Philharmonischen Chores Schwäbisch Gmünd, bleibt sich treu als hochsensibler Künstler, der seine Funktion als Exeget der Musik sehr ernst nimmt.

Dienstag, 14. Dezember 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 18 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Erst vor vierzehn Tagen mit einem höchst anspruchsvollen Orgelbenefizkonzert, nun mit zwei großen Werken der Advents– und Weihnachtszeit, nachdem der „Phil-​Chor“ erst im Sommer während der EKM mit Mozarts c-​Moll-​Messe aufgetreten war — da ist die Zeit voll ausgekauft.
Die Gmünder Tradition des Bachschen „Weihnachtsoratoriums“ inspirierte zur Aufführung des analogen Werkes seines Zeitgenossen Carl Heinrich Graun — ein beachtenswerter Vergleich inhaltlich als auch stilistisch. Bei Graun spürt man den „gelernten“ Sänger: Alles ist cantabel angelegt; die schlichten, aber nicht minder wirkungsvollen Fugen erinnern an die elementare Kraft Händels.
Der „empfindsame Stil“ lässt auch das Orchester förmlich singen. Und wie wunderschön pariert die Sinfonietta Tübingen als traditionelles Partnerorchester den stets kammermusikalischen Duktus, der durchsichtig strukturiert und die Nuancen hörbar macht trotz des akustischen Klapperns der bekannt heiklen Münsterakustik in raschen Bewegungsfolgen. Dass sechs Werknummern gestrichen wurden, mag man bedauern. Vielleicht waren sie der Ökonomie bzw. Stringenz der Aufführung geschuldet?
Bachs „Magnifikat“ (in der gestrafften Fassung ohne Choralsatz-​Einschübe) bildete den Gegenpol zu Graun — eine kluge Entscheidung, sowohl inhaltlich-​theologisch als auch stilistisch, bei Bach die gewohnte überschäumende Polyphonie einer zumeist chorischen Fünfstimmigkeit (geteilter Sopran). In Bezug auf die deutende Vermittlung ergänzten sich beide Werke kongenial, ganz gleich, ob die Dichtung bei Graun noch dem Geschmack der Gegenwart korreliert. An Ausdruckstiefe jedenfalls setzte die Intention Stephan Becks wieder einmal Maßstäbe.
Der Philharmonische Chor präsentierte sich gekonnt, sicher, die Themen der Kontrapunkte hoben sich bei guter Artikulation klar von begleitenden Phrasen ab. Dynamische Disziplin war das bewusste Pendant zur Durchsichtigkeit des Orchesters. Gemütstiefe prägte die unterschiedlichen Charaktere. Man spürte die permanente Freude am Musizieren.
Die Sinfonietta begleitete gediegen wie gewohnt. Besonders schön war der warme Melodiefluss von Oboe d’amore und Flöten. Die vielen jungen Musici bezauberten ob der spürbaren Hingabe ihres Ausdrucks. Der Orgelcontinuo (Sung-​Nam Cho) war zu brav, kaum mehr als gedeckter Achtfuß. Wer die Kolorierungskunst einer Hedwig Bilgram, eines Ton Koopmann oder des in Gmünd bestens bekannten Hansjörg Albrecht im Ohr hat, musste deren Kreativität vermissen (mindestens statt des Tasto-​solo-​Spiels zu Beginn und am Ende der Bass-​Arie „Quia fecit mihi magna“). Dabei belebt solcher Wettstreit der obligaten und improvisierten Farben ungemein.
Die Solisten waren zwischen Orchester und Chor platziert, was dem synchronen Musizieren gut tat, aber der Präsenz an einigen Stellen schadete, etwa in den tiefen Alt– und Basspassagen.
Anna Escala betörte mit ihrer lyrischen Soubrette, schlank bis in extreme Höhen. Kathrin Kochs Alt trägt schön, ist aber in der Tiefe zu wenig schwarz, leider immer wieder wehtuend detonierend (auch im „Anschleifen“ der Töne). Mit dem lyrischen Tenor Bernhard Berchtold hatte der Dirigent einen Glücksfall beschert: Wunderbar, wie gediegen, homogen und jugendlich frisch der Künstler seinen Pat gestaltete. Auch seine zurückhaltende Anpassungsfähigkeit im Duett mit dem Alt („Et misericordia“) fiel wohltuend auf. Schließlich sang Teru Yoshihara einen gut distinguierten Charakterbass, der den Ton seiner Beiträge genau traf. Bärbel Junker, Chorsolistin im Sopran, ergänzte gelungen zum Terzett „Suscepit Israel“.
Das strahlende D-​Dur des „Gloria Patri“ ergoss sich majestätisch packend und voluminös nachklingend in den Raum des Gotteshauses.
Reicher Beifall dankte den engagierten Mitwirkenden für eine schöne Leistung im Dienste der musica sacra.

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