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Das Collegium vocale sang in der Waldstetter Laurentius-​Kirche Stücke aus dem 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Der gute Besuch in St. Laurentius beim Konzert des Collegium vocale bestätigte den Wunsch, in der vorweihnachtlichen Zeit zur Ruhe zu kommen, sich einstimmen zu lassen auf das große Fest. Beste Chorliteratur war ein Geschenk.

Mittwoch, 15. Dezember 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 4 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Dass das Collegium vocale Schwäbisch Gmünd bei allen Verpflichtungen und innerhalb aufwändiger Projektvorbereitung eine adventliche Stunde bester Chorliteratur bot, potenzierte das Geschenk hörbar. Werke vom 14. Jh. bis zur Gegenwart erfreuten die Hörergemeinde, dazwischen gab es literarische und biblische Lesungen (Prophet Baruch).
Das wirkliche Können eines Chores zeigt sich im A-​cappella-​Singen: Ohne „Netz und doppelten Boden“ ist jede Abweichung in der Nuance zu hören. Umso schöner präsentierte sich der Gmünder Kammerchor in absoluter Intonationsreinheit, homogen, in gleichsam himmlischer Harmonie eines Strömens der Linien und Akkorde. Stilsicher, mit frischen, aber nicht gehetzten Tempi lag das Repertoire zwischen schlichtem bis anspruchsvollem Choral, klanglich gefangen nehmenden Motetten und unter die Haut gehenden Bekenntnissen.
Die Auswahl musste einfach anstecken, und so ließ sich das Publikum gerne beschenken von Beiträgen, die zwischen Demut und glutvollem Klang alle Ausdrucksmöglichkeiten durchmaßen. Walter Johannes Beck als akribisch hellwacher Dirigent begnügt sich nie mit (bloßen) Kompromissen, z. B. wenn das Anstimmen nicht der geforderten Klarheit entspricht. Diese Unerbittlichkeit zahlt sich dafür aus: Das collegium vocale nimmt die Impulse auf, setzt sie nicht nur einfach um, sondern lässt die Entwicklung der Linien wunderbar aufblühen: strahlende, nie forcierte Sopranhöhe, die Begleitstimmen sensibel angeglichen, die cantus firmi pointiert. So wird das Hören einfach zum Genuss.
Auch szenisch überzeugte das Ganze: der Einzug des Chores durch den Mittelgang mit „Noël nouvelet“ eines Anonymus aus Frankreich (14. Jh.), während zwei Damen des Soprans bereits auf dem Podest warteten und mit je eigenem Solo glänzten. Oder bei William Byrds „Lullaby my sweet little baby“ von 1588, bei dem der Chor ganz hinten im Altarraum platziert war, während die zarte Dominanz des Alts, klanglich gut gemischt mit einem der Tenöre, vorn auf den Altarstufen für feine akustische Abstufung sorgte.
Bekanntes (Hammerschmidt, Eccard, Crüger, Bach oder Prætorius) wurde ergänzt durch eben Byrd, Boris Ord, William Walton, Camille Saint-​Saëns (Tollite hostias) und Wilhelm Weismann (1900 – 1980): „Trittst du wieder vor die Nacht“, eine der Strophen gesummt, nur der Alt traumhaft singend hervorgehoben
Wer wie der Rezensent den in Alfdorf Geborenen in seiner vielfältigen Leipziger (Hochschul-)Tätigkeit noch selbst erlebt hat, ist umso mehr berührt von der eindrucksvollen Sprache seiner Musik — auch im Kontext zu den prägenden DDR-​Verhältnissen!
Walter Johannes Beck hatte völlig recht, wenn er bekannte, dass nach diesem dichten Werk eine Zugabe eigentlich nicht (mehr) möglich sei. Der einzige Kompromiss des Abends: die Wiederholung des Byrd. Die Gemeinde war zum Mitsingen der Choräle „Es kommt ein Schiff, geladen“ und „Macht hoch die Tür“ eingeladen. Saint-​Saëns sowie einige Choräle wurden auf der Orgel begleitet, und selbst einem Mixturen-​Pleno war der chorische Glanz kraftvoll gewachsen, dafür aber die Farbigkeit verstärkt.
Wenn das Benefizkonzert zu Gunsten der notwendigen Orgelsanierung auch noch „raschelnden“ Erfolg hatte, so war das Vorhaben für die Laurentius-​Gemeinde sicher ein Meilenstein im zu Ende gehenden Jahr 2010.

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