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Der Deutsche Orden und die Schlacht von Tannenberg 1410 /​Heute ist ein Ritter-​Spektakel daraus geworden

Geschichtsverein, Stadtarchiv und VHS luden zu einem Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Müller ein, in dem nach der Bedeutung der Schlacht von Tannenberg gefragt wurde.

Freitag, 17. Dezember 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 7 Sekunden Lesedauer

GESCHICHTE (man). Da der Orden auch in Gmünd am unteren Marktplatz ein „Deutsches Haus“ unterhielt und die Kapfenburg allgemein bekannt ist, war den Zuhörern leicht zu vermitteln, dass die Vorgänge im fernen Ostpreußen sich auch in unserem Raum auswirkten.
Am 15. Juli 2010 jährte sich zum 600. Mal die Niederlage des Deutschen Ordens mit dem Tod des Hochmeisters Ulrichs von Jungingen in der Schlacht von Tannenberg in Ostpreußen. Der Sieg über die Deutschen spielte im nationalen Bewusstsein unserer östlichen Nachbarn immer eine große Rolle, haben sich doch die Polen damals zum ersten Mal erfolgreich gegen die deutsche Bevormundung gewehrt. Für den Orden war die Niederlage von Tannenberg — polnisch Grunwald– eine Katastrophe, deren Folgen sich bis in die Neuzeit auswirken sollten.
Der Referent schilderte die Entwicklung des Ordens, der während des dritten Kreuzzuges 1190 gegründet worden war und zunächst karitative Aufgaben hatte, seinen Schwerpunkt dann aber auf die Missionierung und Bekämpfung der heidnischen „Pruzzen“ in Ostpreußen verlegte. Gleichzeitig wurde das Land zwischen Weichsel, der Ostsee und der Memel von deutschen Bauern besiedelt. Obwohl er zunächst vom polnischen Herzog Konrad von Masowien 1230 an die Weichsel gerufen worden war, kam es im 14. Jahrhundert zu erheblichen Interessensgegensätzen zwischen dem Orden und Polen, die in dem polnisch-​litauischen Sieg bei Tannenberg, der größten Feldschlacht des Mittelalters, gipfelten. Der Orden musste in der Folge von „Tannenberg“ Pommerellen, das spätere Westpreußen, an Polen abtreten. Obwohl dieses Gebiet in der Neuzeit mehrheitlich deutsch besiedelt war, musste es im Versailler Vertrag an Polen abgetreten werden. Die dort lebenden Menschen wurden nicht gefragt, was einen Verstoß gegen das von Wilson proklamierte Recht auf Selbstbestimmung darstellte. So war es kein Zufall, dass die Schüsse, die den Beginn des Zweiten Weltkrieges markierten, in Danzig gefallen sind.
Tannenberg/​Grunwald wurde zum Mythos, an dem über Jahrhunderte hindurch die Feindschaft zwischen Polen und Deutschen festgemacht wurde. Die Deutschen wollten die Niederlage von 1410 ausmerzen, indem sie den Sieg Hindenburgs über die Russen im August 1914 nach „Tannenberg“ benannten, obwohl ein anderer Name naheliegender gewesen wäre. Die Polen dagegen verbanden mit Grunwald, besonders in der langen Zeit, in der Polen zwischen Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt war, die Hoffnung auf eine staatliche Wiedergeburt. So wurden die Jahrestage immer ausgiebig gefeiert, der 600. jedoch ohne die früher übliche antideutsche Spitze.
Im Gegenteil: der polnische Präsident Bronislaw Komorowski wandte sich im Sommer 2010 ausdrücklich gegen die Instrumentalisierung des Grunwald-​Mythos, denn Geschichtspolitik dürfe andere Nationen nicht demütigen, sondern müsse das Verbindende herausstellen. Ganz in diesem Sinne wurde die aktuelle Gedenkfeier abgehalten, zu der auch erstmals der amtierende Hochmeister des Ordens, Bruno Platter, eingeladen worden war.
Dass die Worte ihres Präsidenten bei der Mehrheit der Polen gut ankommen, kann man daran erkennen, dass die Schlacht seit Jahren mit wachsender Begeisterung nachgespielt wird. Über 2000 Ritter „bekämpfen“ sich mit hölzernen Waffen und über 150 000 Schaulustige wollen sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen, das mehr und mehr den Charakter eines kommerziellen Volksfestes bekommen hat.

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