Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

Max Raabe und sein Palastorchester begeisterten das Publikum im nahezu ausverkauften Stadtgarten

Wenn man ihn singen hört, hat man irgendwie immer einen großen Grammophon-​Trichter mit daneben sitzendem Hund vor Augen. Ein fast ausverkaufter Stadtgarten unternahm am Dienstagabend mit Max Raabe und seinem Palastorchester eine Reise in die 20er– und 30er-​Jahre. Von Manfred Laduch

Donnerstag, 09. Dezember 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 20 Sekunden Lesedauer

KONZERT. Schließt man die Augen, verbreitet sich dieser eigenartige Schelllack-​Charme, und man wundert sich nur, wo die Kratzer geblieben sind, die diese Platten für gewöhnlich zu tragen pflegen. Hat man die Augen dagegen offen, sieht man, dass an der Inszenierung alles stimmt: Max Raabe im Frack und mit frisch geöltem Haar, der Bühnenaufbau, der etwas von Bauhaus-​Architektur ausstrahlt bis hin zum Standmikrophon in altem Design, das zweifellos dennoch modernstes Innenleben verbirgt.
Er pendelt lediglich zwischen
Mikrophon und Flügel
Max Raabe mit Headset – das ginge ja nun wirklich gar nicht. Er nimmt das Mikro auch nicht in die Hand um etwa damit über die Bühne zu tollen. Wenn es das in den goldenen Zwanzigern nicht gab, gibt es das auch nicht bei Raabe, der am Sonntag seinen 48. Geburtstag feiert. Im Gegenteil sind seine Bewegungen spärlich. Er pendelt lediglich zwischen dem Mikrophon und dem Korpusbogen des Flügels, wo er seine Gesangspausen abwartet.
Und davon gibt es fast in jedem Lied eine. Max Raabe ist zwar unbestritten der Star des Abends. Er lässt den Musikern seines Palastorchesters aber jede Menge Raum, ihr Können zu zeigen – und sagt sie nach besonderen Soli namentlich an, um ihnen einen Sonderapplaus zu gönnen.
Überhaupt: Max Raabes Ansagen sind eine Klasse für sich. Nicht nur, dass er das charakteristisch rollende „R“ aus den Liedern auf die Conference überträgt. Auch die intensive Mimik und der Sinn für hintergründigen Humor in den Moderationen begeistern das Publikum. Wenn er sich zum Beispiel Gedanken macht, ob das zu besingende „Süße kleine Fräulein“ wohl ein altes oder junges Fräulein sei, um dann zum Schluss zu kommen, dass das Tempo des Stücks zu schnell für ein altes Fräulein sei. Oder wenn er den Männern empfiehlt, Liebeslieder in „fremdländischer Sprache“ zu singen, weil sie dann besser wieder aus der Nummer raus kämen.
Was er singt? Lauter schwer betagte Sachen, die aber auch heute noch abgehen wie die Post, und die er zum Beispiel mit der altertümlichen Bezeichnung „Tonfilm-​Schlager“ ankündigt. Die eigenen Werke („Kein Schwein ruft mich an“) hat er derzeit nicht im Programm. Es sind, wie schon früher, hauptsächlich Werke jüdischer Komponisten und Texter, wobei er nicht mehr wie einst in der Moderation auf deren traurige Schicksale im Dritten Reich eingeht.
Dass die Musiker des Palastorchesters wirklich hervorragend sind, ist auch an deren Vielseitigkeit zu erkennen. Jeder beherrscht mehrere Instrumente. So steht der gesamte Bläsersatz am Schluss von „Du bist nicht die Erste“ plötzlich mit Geigen da. Besonders witzig: Bei „Dort tanzt Lulu“ schwingt bei der letzten Strophe jeder ein anders gestimmtes Glöckchen, aus denen sich die Melodie ergibt.
Und dass einige auch sehr gut singen können, kommt bei „Wir sind von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ zum Tragen. Das Stück aus dem „Blauen Engel“ wird als Vokal-​Quintett mit Klavierbegleitung dargeboten – ganz im Stil der berühmten „Comedian Harmonists“.
Noch zweimal holte das begeisterte Publikum das 13-​köpfige Ensemble nach dem offiziellen Schluss zu Zugaben auf die Bühne. Die ganz in grün erstrahlte, als der Gassenhauer vom „kleinen grünen Kaktus“ erklang. Als dann aber „Schlafen geht das kleine Saxophon“ angestimmt wurde, wusste jeder, dass die schönen zwei Stunden vorbei waren.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

1813 Aufrufe
560 Wörter
4899 Tage 20 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4899 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2010/12/9/max-raabe-und-sein-palastorchester-begeisterten-das-publikum-im-nahezu-ausverkauften-stadtgarten/