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„April-​Inferno“: Fünf Kabarettisten „zum Preis von einem“ auf der Spielplatz-​Kleinkunstbühne

Dass schwäbische Raubauzigkeit und weltmännische Eloquenz von nur einem Entertainer geboten werden, gehört zum Standard. Was aber am Montag im Café Spielplatz abging, als sich gleich fünf Spitzenkräfte des deutschen Humors versammelten, war schon ein schwerer Anschlag auf das Zwerchfell des Publikums.

Mittwoch, 14. April 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 45 Sekunden Lesedauer

KABARETT (wil). Werner Koczwara führte quasi als Hausherr durch das Programm und beschränkte sich weitgehend auf die Anmoderation der Gäste, was ihm mit seinem gesammelten Gesetzesunsinn vortrefflich gelang. In zwei Durchgängen boten Jochen Malmsheimer, Ernst Mantel, Thomas Reis und Lars Reichow jeweils einen kurzen Einblick in ihr kabarettistisches Können. Dass der SWR 2 den Abend aufzeichnete, wertete Rainer Koczwara als „eine Auszeichnung für Gmünd und den Kulturbetrieb und das Café Spielplatz“, zu dessen Gunsten die Akteure des Abends unentgeltlich auftraten. Denn schließlich „macht Geldverdienen ja keinen Spaß – wenn man im Spitzensteuersatz angesiedelt ist“, wie Werner Koczwara trefflich bemerkte.
Jochen Malmsheimer blickte zurück auf die späten 60er– und 70er-​Jahre, die Zeit der Kellerpartys bei den verreisten Eltern von Mitschülern, der lindgrünen Telefone und der Sitzsäcke – und natürlich die eigene Pubertät mit ersten sexuellen Erfahrungen. Als Meister der Ausschmückung zauberte er nach vielen Worten dann immer eine nüchterne und ernüchternde Pointe und erntete frenetisches Lachen.
Sein derzeitiges Leben als Tournee-​Comedian führte dann zur deutschen Bahn mit ihren ICEs und virtuos simulierte er die Sprachlosigkeit der Bahnmitarbeiter, die nach vielen „ngs“ und „ähms“ wegen der stromlosen Steckdose in der Erkenntnis endet: „Wir haben derzeit keine Verbindung zur Lok.“
Als kleine „Erholung“ nach dem wortgewaltigen Malmsheimer griff Ernst Mantel zur Gitarre und sinnierte über die Schwierigkeit eines jeden Anfangs. Eine „Elegie mit Mandoline“ war danach sein Verkehrsbericht vom Papa und dem Pappedeckel bevor er den Anruf der Deutschlehrerin seiner Kiddys entgegennahm und in perfektem Denglisch die Sprachprobleme seiner Kids checkte, um ihr schließlich zuzustimmen, dass „Deutsch wieder mehr supportet“ werden sollte.
Thomas Reis präsentierte bestes politisches Kabarett und würdigte das Attentat auf Berlusconi, wobei statt des Mailänder Doms eine Moschee wegen der Minaretts viel wirkungsvoller gewesen wäre. Das Bundeskabinetts ist für ihn gelebter Artenschutz wobei nahezu jedes Mitglied etwas abbekam, er bat aber auch um Nachsicht, denn Politiker ist schließlich „ein ungelernter Beruf“. Zur Beruhigung des lachgeschüttelten Publikums setzte sich Lars Reichow ans Klavier und startete zu einem gesellschaftskritischen Streifzug durch die Promiwelt und die Yellowpress, die uns mit Informationen überschüttet, die keiner braucht. Und ganz harmlos begann er dann seine Parodie auf „Je t’aime“, den Klassiker aus den 70ern, als er mutmaßte, wie jene Geräusche bei Alltagsverrichtungen wohl zustande kamen — da blieb kein Auge trocken. Thomas Reis griff in seinem zweiten Auftritt das Generationenproblem wieder auf, entlarvte als Gegenteil von „kinderreich“ das reiche Kind der Erbengeneration und sorgte sich in einer intensiven Zwiesprache mit seinem fiktiven Sohn Dennis um dessen Zukunft. Der Vergleich der 68er-​Generation mit der heutigen No-​future Jugend könnte krasser nicht ausfallen, wobei Dennis keineswegs resigniert, sondern sich im häuslichen Schutzkokon sehr behaglich einrichtet und gegen alle Motivationsversuche immun zu sein scheint. Dies ganze natürlich gewürzt mit Pointen über alle aktuellen Trends von der SMS-​Sprache bis zum Dschungelcamp, wo nicht Ingrid van Bergen die Maden essen sollte sondern umgekehrt. Und Xavier Naidoos Texte sind für ihn die „Matthäuspassion für Legastheniker“. Lars Reichow plauderte aus seinen Urlauben, wo er die bereisten Länder mit den Hotelbuffets gleichsetzte: „In Marokko ist gleich links wenn man reinkommt das Weißbrot“ und schließlich nicht mehr weiß, ob er „auf den Bagatellen oder den Garnelen“ ist. Jochen Malmsheimer schloss sich mit seiner Lektüre aus einem Reisetagebuch nahtlos an und bestach in diesem Part vor allem mit seiner Mimik, die die Langeweile der Fremderlebnisse spiegelte. Bodenständig zeigte sich Ernst Mantel schließlich mit seinem Schwarzwurstsong und dem urschwäbischen „Scheißebach“. Zusammen mit Werner Koczwara agierte er dann als „Vereinigtes Lachwerk Süd“ in der Heino-​Parodie über die „Männer mit Bausparverträgen“.
Und was wäre dieser Abend ohne Schlussgag. Stimmgewaltig und recht eindeutig sangen dann alle fünf Akteure gemeinsam das Publikum zur Melodie von „Auf Wiedersehen ihr Freunde mein“ aus dem Saal.

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