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Der internationale Star Carla Bley mit Band und Nils Wograms „Nostalgia Trio“ spielten am Samstag im Prediger

Jeder Ton eine Welt, jede Phrase ein Gedicht, jede Atempause ein Versprechen: Es war kein gewöhnliches Konzert, das Weltstar Carla Bley mit ihrer Band „The Lost Chords“ und Trompeter Paolo Fresu am Samstag im ausverkauften Saal des Prediger gab. Von Hannah Klötzer

Montag, 26. April 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

LANDESJAZZFESTIVAL. Es war ein ungewöhnliches, spannungsgeladenes Zusammentreffen zweier in vieler Hinsicht unterschiedlicher Jazz-​Formationen. Das Quartett „The Lost Chords“ unter der Leitung von Pianistin und Komponistin Carla Bley, das mit Paolo Fresu zum Quintett erweitert wurde, vereinte weltberühmte und erfahrene Jazz-​Musiker auf der Bühne. Das „Nostalgia Trio“ mit drei Aufsteigern und einer ungewöhnlichen Besetzung vertrat hingegen die jüngere Generation des Jazz. Eine Mischung, die im Zusammenspiel ein hochinteressantes, berührendes und einmaliges Konzert ergeben hat.
Kulturbürgermeister Dr. Joachim Bläse drückte in einer kurzen Ansprache seine Freude darüber aus, dass das Landesjazzfestival in diesem Jahr in Gmünd stattfinde und lobte die aktiven Mitglieder der Jazz-​Mission für deren enormes Engagement. „Das ist einmalig, das macht Schwäbisch Gmünd aus“, so Bläse wörtlich. Mit einem Dank an die Sponsoren übergab er das Wort an den Saxofonisten Uwe Werner, der als zweiter Vorsitzender der Jazz-​Mission den Abend und damit den Höhepunkt des Landesjazzfestivals eröffnete. Nach einem Dank an Bläse für die produktiven Dialoge und die kooperative Zusammenarbeit, ohne die die Organisation eines solchen Festivals kaum möglich wäre, kam Werner auf die erste Band zu sprechen. „Als wir die Demo-​CD des „Nostalgia Trio“ gehört haben, war uns sofort klar: Das machen wir!“ erzählte er. Denn ein Trio aus dem Spieler einer Hammond-​Orgel, einem Posaunisten, der die oft vorhandene Assoziation dieses Instruments mit einer Art schwerfälliger Gemütlichkeit sicherlich Lügen strafen würde, und einem der gefragtesten Schlagzeuger der Jazz-​Szene sei ein musikalischer Leckerbissen, den man sich nicht entgehen lassen dürfe.
Diese „Vorschusslorbeeren“ verdiente sich das Trio aus dem Posaunisten Nils Wogram, dem Organisten Florian Ross und dem Schlagzeuger Dejan Terzic schnell. Gekonnt entlockte Wogram der Posaune ganz unterschiedliche Klänge von sanft und weich bis fordernd und aufbrausend und überzeugte die Zuhörer schon in den ersten Minuten von seinem Können und musikalischen Feingefühl. Immer wieder übernahm ein anderer Musiker die Führung und ließ neue Phrasen und Rhythmen einfließen, Soli und Komposition gingen ohne Grenze ineinander über, sodass manchmal kaum noch eine Unterscheidung möglich war.
Die Kompositionen selbst waren geprägt von einer aufregenden Unvorhersehbarkeit: Die Musiker peitschten Melodien dynamisch bis zu einem fast schmerzhaften Grad an Intensität hoch, um dann abrupt in eine ganz andere, sanftere Spielweise zu verfallen. Schlagzeuger Dejan Terzic spielte filigran und einfühlsam auch mit bloßen Händen auf den Trommeln oder entlockte dem Glockenspiel leise Töne und rhythmische Feinheiten. Lyrische Melodien entwickelte Florian Ross auf der Hammond-​Orgel. Er kostete spielerisch alle Reize dieses eher unbekannten und selten zu hörenden Instruments aus. Fast andächtig wirkten die drei Musiker, wenn sie sich, oft mit geschlossenen Augen, hochkonzentriert in die Musik vertieften. Das Publikum ließ sich von diesem intimen, intensiven Jazz mitreißen, was die regelmäßigen Beifallsstürme eindrucksvoll bewiesen.
Wer sucht, der findet bekanntlich auch, so sagt zumindest ein gängiges Sprichwort. Das zweite Konzert des Abends trug den Titel „The Lost Chords – Find Paolo Fresu“. Und was sich da zusammen gefunden habe, so Uwe Werner, das sei sowohl musikalisch als auch menschlich wunderschön.
Bassist Steve Swallow trat in seiner Karriere bereits mit Jazzgrößen wie Stan Getz, John Scofield oder Chick Corea auf. Saxofonist Andy Sheppard hat den British Jazz Award gewonnen, der Schlagzeuger Billy Drummond ist auf über 200 CDs zu hören, darunter Aufnahmen mit Sonny Rollins und Nat Adderley. Mit dem italienischen Trompeter Paolo Fresu vervollkommnete sich das Aufgebot an erstklassigen Musikern, die sich in dieser Formation unter der Leitung Carla Bleys die Ehre gaben. Der letzte Auftritt in Bilbao, der nächste in Paris, dazwischen ein Konzert in Gmünd: Es war schon eine große Chance für das Publikum, dieses Ereignis miterleben zu können.
Wenn die 72-​jährige Bandleaderin Carla Bley die Bühne betritt, ist sie ganz die „Grande Dame“, die das Publikum charmant begrüßt und Applaus dankend hinnimmt. Sie seien seit 24 Stunden in der Stadt, würden diese daher bestens kennen, und es täte ihnen leid, jetzt wieder gehen zu müssen, so Bley. Doch zuvor würden sie gerne noch ein Konzert spielen. Setzt sie sich dann an den Flügel, ist sie ganz Pianistin und Bandleaderin. Mit Blicken dirigierte sie die Band, mit sanften Akkorden leitete sie die von ihr komponierten Stücke an. Es war ein intensives Zusammenspiel, das das Publikum erleben durfte. Die oft unvorhersehbaren, durchdachten und dennoch mit „Bauchgefühl“ gespielten Kompositionen waren von einer emotionalen Tiefe und Ausdrucksstärke, die mit Worten schwer zu fassen ist. Thilo Schimmele von der Jazz-​Mission drückte seine Begeisterung für diese Musik derart aus: „Es ist eigentlich nur ganz normaler Jazz, aber so gespielt, dass es nicht besser geht. Nichts ist zu viel und nichts zu wenig, jeder Ton muss genau so sein, wie sie ihn spielen.“

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