Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

Die große Sommerausstellung in der Prediger-​Galerie: Laura Fords „Von Tieren und Menschen“

Der Effekt stellt sich ein, wenn man schon vorbei ist. Hat man richtig gesehen? Eine in Lumpen gehüllte Gestalt, die im Abfalleimer wühlt und gleichzeitig so still wirkt? Man ist einer Bronzeskulptur von Laura Ford begegnet. Von Reinhard Wagenblast

Donnerstag, 20. Mai 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 30 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG. Sie stehen seit Anfang der Woche, ohne angekündigt worden zu sein, vor dem Eingang des Predigers und in der Bocksgasse. Wer in die Predigergalerie will, geht an der Lumpengestalt mit Dachs-​Physiognomie vorüber, die sich über einen Mülleimer beugt, wie er in jeder englischen Stadt im Dutzend zu finden ist, mehr oder weniger schmuddelig und dunkelgrün. Hier ist er, wie sein Inhalt und die Figur, aus patinierter Bronze. Wie auch die „Bag lady“ in der Bocksgasse, die ihr Hab und Gut im Buggy schiebt — an einer Stelle, wo die Stadt die Obdachlosen-​Szene weghaben wollte. Sie kehrt als Kunst wieder, Skulpturen aus der Reihe „Rag and Bone“.
Sozialkritisches nach englischer Art? Sicher auch, aber sicher auch viel mehr. „Meine Arbeit ist eine Mischung aus Humor, Melancholie und Dunkelheit. Ich bin spielfreudig, wenn ich arbeite“, sagt Laura Ford. Ihre Arbeiten stecken voller Doppeldeutigkeit, es mischen sich Komik und Tragik, Lächerliches und Erhabenes. „Laura Ford beschäftigt sich in ihrer Kunst mit dem Übergang von Tier zu Mensch, von Kreatur zur Figur, von realer Welt zur Fiktion“, so Gmünds Museumsleiterin Gabriele Holthuis.
Laura Ford zeigt in der Prediger-​Galerie und draußen 28 Figuren und Zeichnungen, deren Subtilität sich eher dem zweiten als dem ersten Blick zu erkennen gibt. Sie sind still und erzählen doch zugleich ganze Geschichten, sie spielen mit Motiven, die Kinderbüchern entsprungen zu scheinen oder Realität gewordenen Alpträumen. Ob es nun der „Headthinker“ ist, der seinen Eselskopf gedankenschwer auf eine Ablage sinken lässt, oder das kleine Mädchen in Schuluniform, dessen Kopf in einer Gipswolke steckt, dem die Künstlerin den sinnigen Titel „Local Weather“ verpasst hat. Man mag an Seelennot denken, aber auch an den Alltags-​Kuddelmuddel. An einen Lebenskampf, der zum Lachen und Heulen ist. Und wenn’s einen umhaut, dann steht man gefälligst wieder auf und macht weiter. Bis aus dem Spiel tödlicher Ernst wird, wie bei den „Armour Boys“, den bronzenen Knabenkörpern in Ritterrüstungen, die mit verdrehten Gliedmaßen auf dem Boden liegen, als wären ihnen die Knochen von Pferdehufen zerbrochen werden. Oder die einen Schlitten ziehende Gestalt aus der Installation „The Great Indoors“, um die sich getarnte Hirsche tummeln, und die blind ihres Weges geht, weil der das Gesicht verhüllende Strickschal zum Schicksal wird. Eine Hommage an den Polarforscher Robert Scott, der nicht wiederkehrte, und gleichzeitig die Demontage eines Heldenmythos. Laura Fords Zeichnungen gehen in der Predigergalerie etwas unter. Zwischen Kinderbuch-​Idyllik und satirischem Biss schwebend, wie man ihn von Tomi Ungerer kennt, können sie dem Betrachter einen Schlüssel zum Verständnis der Figuren geben.
Es ist die erste Ausstellung Laura Fords im süddeutschen Raum. Die 49-​jährige Künstlerin, in Cardiff geboren, studierte Bildhauerei und Malerei und lebt heute mit ihrer Familie in London. 2005 vertrat sie Wales auf der 51. Biennale in Venedig. Zuerst in ihrer britischen Heimat, dann im nördlichen Europa und auch in den USA ist sie heute weithin anerkannt und bekannt. Internationale Sammlungen wie die Tate Modern in London, die British Government Collection und das Museum of Modern Art besitzen Arbeiten von ihr. Die in Schwäbisch Gmünd zu sehende Ausstellung, entstanden in Zusammenarbeit mit der Galerie Scheffel in Bad Homburg, wird noch in Grand Rapids, Michigan, USA gezeigt.
Eröffnung am Freitag, 21. Mai, um 19 Uhr in der Prediger-​Galerie. Laura Ford ist anwesend. Es sprechen Bürgermeister Joachim Bläse, Beate Reifenscheid (Ludwig– Museum, Koblenz) und Gabriele Holthuis. Die Ausstellung dauert bis zum 12. September; Katalog: 124 Seiten, 20 Euro.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2441 Aufrufe
602 Wörter
5101 Tage 14 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 5101 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2010/5/20/die-grose-sommerausstellung-in-der-prediger-galerie-laura-fords-von-tieren-und-menschen/