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„Aufbruch in die Moderne. Silber aus Schwäbisch Gmünd“: ein opulenter Überblick über das Schaffen des 20. Jahrhunderts

„Eine Ausstellung, die überfällig war“, meint Museumsleiterin Dr. Gabriele Holthuis. „Aufbruch in die Moderne. Silber aus Schwäbisch Gmünd“ ist überdies ein opus magnum, von der Schau mit ihren 400 Objekten bis hin zum opulenten Katalog: Gmünder Silber eines ganzen Jahrhunderts. Vieles davon dürfte auch Kenner überraschen. Von Reinhard Wagenblast

Donnerstag, 10. Juni 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 46 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG. Die Mondsichel steht als Zeichen für das Silber, das Einhorn für Schwäbisch Gmünd. Silber aus Schwäbisch Gmünd zeigen – in Schwäbisch Gmünd? Warum nicht gleich Eulen nach Athen tragen? Doch, es geht. Aber es ist schwierig, wie Gabriele Holthuis und Monika Boosen ziemlich schnell merkten: „Jeder kennt sich aus, es schüchtert einen ein.“
So wenig die Branche in der Öffentlichkeit vertreten ist, so stark ist sie doch noch. Sie ist an ihre Produktion gebunden, aber die Geschichte ist in ihr lebendig, sie trägt sie mit sich. Und sie ist bis heute stärker in Schwäbisch Gmünd verwurzelt, als dies vielen heute bewusst ist. „Die Gmünder Fabrikmarken gehen in die Juwelierläden der ganzen Welt, eine immer vollkommenere technische Herstellung gepaart mit künstlerischer Form“, schrieb der Gmünder Fachschulprofessor Walter Klein 1920 mit Blick auf die über 600 Jahre alte Geschichte des Edelmetallgewerbes in Gmünd.
Diese Geschichte ist mittlerweile um weitere 100 Jahre fortgeschrieben, es ist die Geschichte der Moderne, die ihren Einfluss auf die Silberwarenproduktion geltend machte und sie, häufig mit hohem ästhetischen Anspruch, durchdrang. Vielleicht auch ein einfacherer Einstieg in das Thema, dachten sich die Ausstellungsmacherinnen. Doch es ist kaum noch jemand da, der sich an die Vorkriegszeit aus eigenem Erleben erinnert. Gabriele Holthuis: „Es war nicht einfach, den Gestaltern der ersten Jahrhunderthälfte ein Gesicht und einen Namen zu geben. Für die 20-​er und 30-​er Jahre bleibt noch viel zu tun.“ Immerhin bietet diese Schau einen ersten Einstieg für die weitere Forschung.
Hinter den 400 Objekten stehen 75 Firmen und Gestalter, durchgängig auch die Gmünder Fachschule in ihren verschiedenen Ausformungen. Hinzu kommen die Arbeiten der Stadtgoldschmiede sowie Stücke aus den Kunstgewerbeschulen. Ältestes Stück ist ein Becher von 1904, jüngstes eine für die Ausstellung angefertigte Vase. So ermöglicht diese Ausstellung einen repräsentativen und beeindruckenden Querschnitt von der Qualität Gmünder Silberarbeiten über ein ganzes Jahrhundert. Manches freilich blieb unerreichbar und ist nur fotografisch präsent: spezielle Auftragsarbeiten für Potentaten und Herrscherhäuser etwa.
Im Blickpunkt steht die breite Palette der so genannten Korpuswaren und eine Auswahl feinster Bestecke. Exemplarisch wird so die Gestaltung von Silbergerät gegenwärtig, und wie beiläufig wird eine Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts erzählt. Deutlich – eigentlich von Jahr zu Jahr mehr – wird, welche brachiale Zäsur der Zweite Weltkrieg darstellt. Nicht nur, dass er einen großen Teil derer auslöschte, die auf dem Großfoto der Fachschul-​Abschlussklasse von 1938 zu sehen sind. Es änderte sich auch der Umgang mit dem Material und die Gestaltung; die ostentative Opulenz der Vorkriegszeit wurde nicht mehr erreicht und auch nicht mehr angestrebt. Kenntlich ist dies hier selbst innerhalb der Grenzen einer vom Bauhaus bestimmten Moderne, die unter den Gmünder Silbergestaltern und –herstellern einen überraschend frühen Widerhall auslöste. Eine Entdeckung sei auch die Fülle der Judaica-​Produktion in den 20er– und 30er-​Jahren.
Vertreten ist Silber der maßgeblichen Gmünder Firmen, die nach Entwürfen eigener oder freier Gestalter entstanden, genannt seien Hermann Bauer, Adolf Besson, Wilhelm Binder, Gebrüder Deyhle, Gayer & Krauss, Jakob Grimminger, Kaeser & Uhlmann, Gebrüder Kühn und Otto Wolter. Daneben Einzelobjekte prominenter Gestalter – Paula Strauss, Josef Arnold, Robert Fischer und Josef Herzer aus der Bauhauszeit; Helmut Warneke, Karl Dittert, Rolf Arnold, Andreas Moritz, Rudolf Elser, Doris Raymann-​Nowak und viele andere für die zweite Jahrhunderthälfte. Die Objekte stammen aus den reichen Beständen des Museums und von 60 öffentlichen und privaten Leihgebern.
Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, 11. Juni, um 17 Uhr im Predigersaal durch OB Richard Arnold. Es sprechen Sonja Quandt, Inhaberin von Gebrüder Kühn, Gourmet-​Koch Vincent Klink, und Gabriele Holthuis. Pianist Volker Stenzl umrahmt musikalisch.

„Aufbruch in die Moderne. Silber aus Schwäbisch Gmünd“. 11. Juni bis 10. Oktober im Museum im Prediger. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog (232 Seiten, 28 Euro).

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