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„Aufbruch in die Moderne: Silber aus Schwäbisch Gmünd“ bis zum 10. Oktober im Prediger

OB Richard Arnold zitierte gestern bei der Vernissage der Ausstellung unglaublich schöner Gmünder Silberwaren Bob Marley – nur wenn du deine Geschichte kennst, weißt du, woher du kommst – und freute sich, dass „Silber noch immer Stück unserer Seele ist“.

Sonntag, 13. Juni 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

AUSSTELLUNG (bt). Zunächst hatte Vincent Klink – die einen kennen ihn noch vom „Postillion“, die anderen als Fernsehkoch und Buchautor – ein Riesenlob für Museumschefin Gabriele Holthuis mitgebracht, auch, aber nicht nur für die Silber-​Ausstellung. „Die Energie, mit der sie das Kulturleben befeuert“, werde weithin wahrgenommen.
Dass diese Ausstellung etwas ganz Besonderes ist – erinnert sei nur an die Mondsteinvase von Paula Strauss –, hat die RZ mehrfach dokumentiert. Und gestern Abend wurde es in selten gehörten Lobeshymnen in die Vernissage getragen. Alles was in der alten Gold– und Silberschmiedestadt Rang und Namen hat, war da, feierte Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen und freute sich schlicht am Silber. Was die 600-​jährige Tradition des Gmünder Silberhandwerks bedeute und was die Firmen, Gestalter und Werkstätten noch heute leisteten, werde jetzt erst wirklich bewusst gemacht: Längst überfällig sei diese Ausstellung, so das Stadtoberhaupt, zudem die erste überhaupt, die sich mit modernem Silber beschäftige. „Und die einzige, die dies in diesem Umfang tut und mit einem solchen Anspruch“. Die Liste der Firmeninhaber, die Arnold begrüßte, war so lang wie die der Gestalter – sechs der großen Firmen bieten seit gestern einen Fabrikverkauf in der Ott Pauserschen an –, und all das machte deutlich: Arbeiten mit Silber lebt in der Stadt.
Sonja Quandt:
Liebeserklärung ans Silber
Mesopotamien ist weit weg, in Raum und Zeit. Aber dass dort und damals Silber wertvoller war als Gold war für Sonja Quandt, Inhaberin der Jubiläums-​Silberwarenfirma Gebrüder Kühn, Einstieg in ihre Liebeserklärung ans Silber. Sie führte durch die Jahrtausende und machte deutlich, in welchem Maß Silber den Menschen wichtig war und ist. Römische Soldaten, so war beispielsweise zu erfahren, hatten silberne Becher, nicht weil sie nicht wussten, wohin mit ihrem Reichtum, sondern weil Silber antibakterielle Wirkung hat und Keime abtöten kann – was die Menschen wussten, lange bevor die moderne Wissenschaft dies belegte. Oder wer weiß schon, dass das „weiße Metall“, das „Mondmetall“, tatsächlich benutzt wurde, um Weltraumkapseln auszustatten – „beste Leitfähigkeit von Wärme und Elektrizität, höchste Reflexionseigenschaft“ – und so den Menschheitstraum Mond verwirklichen half?
Was wurde in der Renaissance produziert, was im Rokoko und wie wirkt sich das auf den heutigen Posthistorismus aus? Wie hat die bis in die Stauferzeit zurückreichende Verarbeitung von Silber die Stadt geprägt? Ganz gleich, ob sie Punzzeichen erklärte – vom Halbmond für Silber bis zum Einhorn für ihre eigenen Arbeiten –, ob sie „Sterling“-Silber vorstellte, vom Glanz des Mondes im Silber sprach, oder davon, dass die Silbervorräte der Erde in 29 Jahren erschöpft sind: Eines wurde bei Quandts Vortrag deutlich: Leidenschaft war und ist die wichtigste Voraussetzung für Erfolg.
Oft und anhaltend lachen ließ Vincent Klink das Publikum. Etwa als er erzählte, dass die Silberwarenfabrikanten der Stadt einst im Postillion sein Billig-​Silber vom Tisch gefegt hätten: „An dene Blechle“ würden sie nicht essen. Klink tat den Gmündern gut gestern Abend. So versicherte er, er lebe seit 20 Jahren in Stuttgart, habe dort aber noch nie an einer öffentlichen Veranstaltung teilgenommen. Nicht nur weil er „gegen jeglichen Pietismus resistent“ sei, auch, weil die „Prägung durch die Stadt Gmünd“ verhindere, dass er Stuttgarter werde.
„Ess ich noch Bratwurst oder
bin ich schon Bratwurst“
„Ess ich noch Bratwurst oder bin ich schon Bratwurst“. Mit diesem Bonmot machte der prominente Ehrengast deutlich: „Die Gesellschaft teilt sich“. Zum einen gebe es diejenigen, die sich um Kultur kümmerten – an dieser Stelle war ein Kompliment an den Gmünder Oberbürgermeister fällig –, auf der anderen Seite all die anderen, die echt von unecht nicht mehr unterscheiden könnten. Genießer seien denkende Menschen, die sich immer ein Stück Freiheit bewahrten und deshalb beispielsweise in totalitären Staaten nicht gefragt seien. Er freue sich, dass die kleine Nische der Genießer derzeit größer werde. Dabei bezog er sich ausdrücklich nicht auf seine Fernsehshow. Das sei eine Welt des schönen Scheins, in der „Deko“ als Tischkultur verkauft werde – allein das Wort mache ihm Ausschlag. Sein Rat an die Gmünder: „Gmünd muss lauter werden“, der Gmünder Qualitätsbegriff müsse viel offensiver nach außen getragen werden. Gmünd müsse mit künstlerischem Handwerk und der Schönheit der Stadt punkten, doch davon sei außerhalb wenig zu hören – so ein deutlicher Wink an den Edelmetallverband.
Die gestern in den höchsten Tönen gelobte Museumsleiterin Dr. Holthuis freute sich, dass sich Gmünd mit dieser Ausstellung als moderne Stadt präsentiere und kreativen Reichtum zeige. Der Zeit, in der eine Stadt mit 20 000 Einwohnern 150 Silberwarenfabriken hatte, trauerte sie nicht nach: Die Firmen, die sich bis heute behaupteten, hätten gelernt, schnell auf Veränderungen des Marktes zu reagieren.

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