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Der Kanzleischreiber amüsierte sich beim Kehraus — derweil brannte der alte Königsbronner Hof nieder

Schwäbisch Gmünd besitzt bedeutsame Bauwerke aus allen Architekturepochen der vergangenen acht Jahrhunderte. Nur die Renaissance macht sich rar: Das einzige erhaltene Gebäude dieser Epoche ist das Schwörhaus, im Volksmund früher auch Schmalzgrube genannt. Stadtarchivar Dr. Klaus J. Herrmann zeichnet seine Geschichte nach.

Mittwoch, 25. August 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 59 Sekunden Lesedauer

ARCHITEKTUR. Am 12. Februar 1589 — es ist Aschermittwoch morgens zwischen vier und fünf Uhr — ereignet sich in der Stadt selbst der größte Brand, den die Chroniken je vermelden werden — sieht man einmal von dem Quartierbrand des Jahres 1793 ab, dem die heutige so genannte Brandstatt südlich des Münsters ihren Namen verdankt.
Das Areal am heutigen Schwörhaus — damals noch Königsbronner Hof oder Schwörhof geheißen — brennt bis auf die Grundfesten nieder und mit ihm etliche Geschütze der Stadtwehr und hunderte Malter Getreide. Auslöser war wohl ein brennendes offenes Licht, das der im Hause lebende Kanzleischreiber und Steuereinnehmer Johann Etzel hat brennen lassen, ehe er sich mit seiner Frau am Abend und die halbe Nacht noch beim Kehraus des Faschings amüsiert und selbst seine Kinder unbeaufsichtigt allein zurückgelassen hatte.
Der Kanzleischreiber und seine Frau kamen bald wieder frei -
zu holen gab es bei ihnen nichts.
Bei dem Königsbronner Hof handelt es sich ursprünglich um einen Wirtschaftshof des Zisterzienserklosters Königsbronn — zwischen Aalen und Heidenheim gelegen — den das Kloster am 20. November 1380 vom Gmünder Bürger Heinrich Wolf gekauft, aber knapp hundert Jahre später, am 1. April 1465, an die Stadt wieder verkauft hat. Die wechselnden Namen als Schwörhof und Schmalzgrube in späterer Zeit weisen auf wechselnde Funktionen des Gebäudes hin. „Schwörhof“ oder „Schwörhaus“ deutet auf den erstmals 1343 belegten Schwörtag hin, wo im Spätmittelalter am Georgitag (am 23. April) und ab der frühen Neuzeit bis 1802 am Lorenzitag (am 10. August) die drei Bürgermeister ihren Diensteid aufschwuren und danach die Eidesverlesung der Stadtbürger stattfand. Der Name „Schmalzgrube“ weist darauf hin, dass hier Teile der städtischen Vorratshaltung lagerten und Schmalz ausgewogen wurde. Der Brand wurde übrigens schnell gelöscht, zu retten gab es wenig. Etliche „Brandhelfer“ kamen jedoch dennoch ins Gefängnis, weil sie die Gelegenheit nutzten, noch Verwertbares zu plündern und einige Bürger, weil sie versäumt hatten, den Brand rechtzeitiger zu melden. Ins Gefängnis kamen auch der nachlässige Kanzleischreiber und seine Frau. Sie wurden indes nach einigen Wochen wieder entlassen, weil finanziell - wie es in ihrer Entlassungsurkunde hieß — von ihnen nichts zu holen war. Gleichzeitig schrieb der Magistrat den Neubau des Gebäudes aus. Der Baumeister des einzig erhaltenen Renaissancegebäudes in der Stadt wurde der Kirchenmeister Leonhard Völkle, der das Haus in seiner heutigen Form bis 1591 fertigstellte. Seine zwei großen rundbogigen Toreinfahrten werden von mächtigen Polster– und Keilsteinen gerahmt, dazwischen öffnet sich mit reicher Portalplastik ein hohes Rundbogenportal, antik aufgebaut mit flachen Pilastern und Beschlagwerk. Inschriftentafeln und Wappenhalter kommen hinzu. Sie zeigen Löwen als Schildhalter mit Stauferwappen und Reichsadler, zwischen Säulen hält ein Engel die Wappen von Einhorn und Reichsadler. Heute dient das Schwörhaus als Haus der Städtischen Musikschule.

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