Das Hilliard Ensemble und Singer Pur begeisterten am Mittwochabend die Besucher in der Augustinuskirche
Auch im Mittwochkonzert hatten sich Jung und Alt zusammengetan: das Hilliard Ensemble (mit David James, Rogers Covey-Crump, Steven Harrold sowie Gordon Jones) und Singer Pur (Claudia Reinhard, Klaus Wenk, Markus Zapp, Manuel Wanwitz, Reiner Schneider-Waterberg und Marcus Schmidl). Von Peter Skobowsky
Freitag, 06. August 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
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Die Programmfolge machte mit vielen weniger bis kaum bekannten Werken bekannt. Das ist das erste Verdienst des bemerkenswerten Auftritts der renommierten Ensembles. Von einer lupenreinen Polyphonie bis zu eher homophon-flächiger Klangwelt reichte die Bandbreite. Die vollbesetzte Augustinuskirche war der ideale Aufführungsort solchen Musizierens. Die Vier– bis Vielstimmigkeit erreichte spirituelle und emotionale Tiefe. Deshalb war es nur folgerichtig, dass die innere Dramaturgie nicht durch Beifall gestört, unterbrochen, werden sollte.
Ist die eigentümliche Stimmführung der Renaissance inzwischen vertraut, die barocke ohnehin, so waren besonders die zeitgenössischen Beiträge von eigenem Reiz. Da standen sich etwa gegenüber eine fließende Vokalpolyphonie Palestrinas (auch in der Zugabe von Gabrieli) oder die linear sich entwickelnde, übereinander geschichtet gehaltene Intensität bei György Ligeti („The Alphabet“), dann wieder ein ganz anderer Arvo Pärt als im verinnerlichten Tintinnabuli-Stil (der marianische Text englisch und kirchenslawisch).
Hochinteressant von Hans Schanderl (*1960) „Ich bin im Sommer Eis, im Winter Feuer“, eine Umsetzung der Poesie in eine stafettenlaufartige Linearik mit enormer Wirkung. Hier wurde wieder einmal belegt, wie Dissonanzen einfach klingen können, ohne zu schmerzen.
Das gilt auch für den unermüdlich vielseitigen Wolfgang Rihm, der die Vorhangriss-Szene im Tempel vom Karfreitag zuerst quasi stotternd beginnt, als überrumple das Geschehen völlig die Realität (Ve lum | tem pli | scis sum | est), um dann in einer ungeheuren Steigerung zu erschüttern, bis ganz verhalten die entschlafenen Heiligen musikalisch gespiegelt werden. Das machte Eindruck!
Ganz anders Heinz Holligers Annäherung an Guillaume de Machaut mit „Lay VII“, einem als Lied übersetzten langen Text, vom „Kyrieleis“ als liturgischem Refrain abgeleitet. Das war additive Polyphonie pur, so eigenständig erzwungen, dass die Einheit hinzugedacht werden musste, um das Ganze zu fassen. Das Engagement von Hilliard war zu sehen. Und wieder eine klingend dissonante Homophonie mit cantus firmus von Ivan Moody: „Anástasis“ (Auferstehung) — eine ungeheuer sublime bis ausbrechende Spannung — ganz verinnerlichend den Text deutend. Eine überaus respektvolle Leistung. Nicht verborgen blieb die über die Jahre zunehmende Klangstarre des Hilliard-Counters David James. Die wenig entspannte Physiognomie entsprach genau jenem stimmlich gedeckelten (Über-)Druck, der unangenehm sirenenhaft alles in Grund und Boden „trompetet“, was über das Mezzoforte hinausging — im Gegensatz zu den wunderbar organisch timbrierenden Kollegen des Hilliard Ensembles. Die wiederholt gemachte Erfahrung tut zunehmend weh, vor allem angesichts der wegweisenden Verdienste der Hilliards.
Wie versöhnlich dagegen das Echo-Solo der zauberhaften Claudia Reinhard. Somit erwies sich Singer Pur in summa um Klassen besser als die verehrten Vorbilder.
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