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Ernst Mantel gastierte mit seinem Soloprogramm im Café Spielplatz

Ob er als Günter Oettinger dem allgemeinen Schweigen das Wort redet, volltrunken über parapsychologische Phänomene wie die Verspätung eines Eilpakets sinniert, Anthony Stollenmaier beim Arzt beobachtet – jede Nummer Ernst Mantels ist ein tiefer Blick in die Seele seiner Mitmenschen.

Donnerstag, 20. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 19 Sekunden Lesedauer

KLEINKUNST (wil). Im Café Spielplatz konnten sich die Besucher an zwei ausverkauften Abenden wieder einmal von der Brillanz des Laubacher Kabarettisten überzeugen.
Dass aller Anfang schwer ist, steht seit einiger Zeit am Beginn von Ernst Mantels Programm und so lässt sich trefflich sinnieren, ob bereits der Anfang einen guten Schluss braucht und wie der Anfang des guten Schlusses zu sein hat. Die treuen Fans kennen natürlich diese und andere seiner Nummern – und wissen trotzdem nicht, wann dieser geistreiche und mitreißende Song nun wirklich seinen Schluss hat. So treibt Mantel über zwei Stunden seine Spiele mit Worten, setzt sie wie zufällig an die falschen Stellen, wiederholt sie bis zur Schmerzgrenze, reimt auf Biegen und Brechen und häuft Synonyme aufeinander, dass es schon wissenschaftlich klingt.
Natürlich ist er Schwabe wie die meisten seiner Zuhörer und so wird sein Blick in die „schwäbische Sääle“ oft ein Spiegelbild. Er zeigt die Menschen, wie sie eben sind, durchschnittlich mit ihren Eigenheiten — und setzt mit den verwissenschaftlichten Erläuterungen die passenden Kontraste. Die „Suche nach der Identität“ endet in der Erkenntnis „Ich bin ein guter Esser“, so isch’s no au wieder. Krankheit und Alterung bestimmen das Leben eines jeden von uns und Ernst Mantel malt aus, was man im Krankenhaus so alles findet, wenn man nur sucht. In einer Parodie auf Roger Whittacker spürt er die Alterserscheinungen vom grauen Haar bis zur nachlassenden Sehkraft auf und schließlich begleitet er den Opa mit dem kleinen Anthony Stollenmaier zum Arzt – eine beißende Gesellschaftskritik und Erziehungssatire!
Ein rhetorisches Meisterwerk ist auch Mantels Imitation von Günter Oettinger, den er täuschend ähnlich nachspricht und „dem allgemeinen Schweigen das Wort reden lässt“. Und so geht es Schlag auf Schlag: „die Grundlagen sind das elementare Fundament unserer Basis“ – klingt doch gut, sagt aber nichts. Viel sagend dagegen der Anruf bei der Lehrerin seiner Kids, der er in perfektem Denglisch sein Education Concept erläutert.
Doch zur Entspannung dazwischen immer wieder Deftig-​Einfaches wie sein Fahrstil nachts auf der Autobahn, die Hymne an den Schwarzwurstring oder das Lied von Pech und Enttäuschungen namens „Scheißebach“.
Aber auch hier ist es nur scheinbar leicht. Sein Stammtischgeschwätz singt Ernst Mantel nicht nur vielstimmig allein, um so vom alten Nörgler bis zum ewigen Bruddler die verschiedensten Typen zu kennzeichnen, er wechselt allmählich auch noch die Dialekte.
Und sein Society-​Klatsch übertrifft in Satzbau und Inhalt noch Piet Klocke. Als Beitrag zur Integrationsdebatte steuert Mantel das Warten auf seinen Freund Bülent bei und seine Meinung zur Parapsychologie gibt er mit drei Weizen intus noch immer recht flüssig ab. Warum ausgerechnet die Eilpostsendungen immer am längsten brauchen, dazu hat er seine ganz eigene Theorie. Kaum wieder nüchtern bekommen die Ökobewegten eins ab, als Liedermacher à la Reinhard Mey bietet er ein ökologisches Lied „direkt vom Erzeuger“, um sich danach als Dialekt-​Barde zu gebärden.
Es ist ein sehr vielschichtiger Blick, den er auf seine Umwelt wirft und die er in allen Facetten karikiert, von der Kindererziehung bis zur Eitelkeit im Alter. Immer auf sprachlich höchstem Niveau, treffsicher und anspruchsvoll in der Wortwahl, bewusst daneben in der Aussage, mit den Gegensätzen spielend fordert er vom Publikum höchste Konzentration.

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