Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Aus Mädchen werden Frauen — aber was werden Frauen? Schulmuseum-​Teams planen Einrichtung im Klösterle

Zwanzig Jahre hat der Förderverein für ein Gmünder Schulmuseum beim Versuch sein Anliegen zu verwirklichen, Höhen und Tiefen erlebt. Trotz des Brandes in der Maria-​Kahle-​Schule ist man auch im vergangenen Jahr vorangekommen.

Dienstag, 25. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (khk). OB Richard Arnold hat fest zugesagt, dass die Eröffnung des Museums im Schuljahr 2011/​12 in drei Klassenräumen des ersten Stockes des Klösterle stattfinden werde. Sobald die gegenwärtig dort unterrichteten Grundschüler das wiederhergestellte Nachbargebäude bezögen, könnte der Museumsverein die drei Räume einrichten. Dieser baut auf diese Vereinbarung und hat daher schon im Herbst 2010 zwei Kompetenzteams gebildet, welche die Sichtung der Bestände vornehmen und die Konzeption der Ausstellung entwickeln sollen. In allen Fragen der Gestaltung hat dabei Museumsdesigner Tomas Sturm das Sagen, der Mitglied beider Teams ist.
Frau Prof. Dr. Gohl-​Völker (PH Schw. Gmünd und Ludwigsburg) leitet das Kompetenzteam „Mädchenbildung“. Es arbeiten mit: Prof. Dr. Karl Setzen, Dr. Ingrid Irion, Elke Heer, städtische Frauenbeauftragte und Ingrid Krumm, Gleichstellungsbeauftragte im Ostalbkreis sowie Gerda Austel und Gerda Fetzer. Die vierte Sitzung fand am 19. Januar statt, wobei bereits Ende November Frau Gohl-​Völker die Phase des bloßen Materialsammelns beendete: „Die Zeit der Recherche geht vorbei, jetzt arbeiten wir an der Strukturierung des Themas für die Ausstellung“.
Die Teammitglieder hatten ihre Hausaufgaben zur Mädchenbildung der letzten 200 Jahre in Gmünd gemacht. So trug Irion ihre Ergebnisse zur Privat-​Töchterschule und Frauenarbeitsschule der Sießener Kongregation, später St. Ludwig in der Uferstraße, im Detail vor, etwa Schulordnung, Fächerkanon und Stundenplan, ein Schulzeugnis von 1919, Photos von St. Ludwig zeigte sie vor. Der Bogen der Diskussion wurde von Schule und Berufe für Mädchen damals und heute geschlagen, Bildungsziele damals und heute sollten näher verglichen werden — die nächsten Arbeitsaufträge.
Die Sozialisation im Lehrerinnenberuf wurde hinterfragt, sowohl nach dem Ersten wie Zweiten Weltkrieg mussten Lehrerinnen ledig sein, wollten sie im Beruf tätig sein. So soll dem Schicksal einer Gmünder Lehrerin nachgegangen werden, die 1919 nach Schlesien ziehen musste, um dort beruflich zu arbeiten. Prof. Dr. Setzen wies darauf hin, dass es noch im Palamentarischen Rat, der die Verfassung der Bonner Republik schuf, ganz ernsthafte Debatten darüber gab, ob der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ so eindeutig und aussagekräftig dort stehen könnte.
Das Lebensschicksal der ersten Gmünder Frau, die ein Hochschulstudium absolvierte, soll erforscht und im Schulmuseum nachgezeichnet werden. Dort sollte auch bei aller heute erreichten Emanzipation der Frau das Ungleichgewicht der Geschlechter in Berufspositionen etwa in Führungskadern der Wirtschaft zur Geltung kommen. Setzen fragte nach: „wie ist es mit der Geschlechterverteilung bei arbeitslosen Jugendlichen“ — die nächste Arbeitsaufgabe war also, bei der Arbeitsagentur genaue Zahlen nachzufragen. Elke Heer formulierte dabei ein vorläufiges Schlussergebnis der Diskussion: „Aus Mädchen werden Frauen, aber was werden Frauen“? Diesem weitgespannten Themenfeld in einem Ausstellungsraum übersichtliche und für den Gmünder Museumsbesucher schlüssige Geltung zu verschaffen, ist die Aufgabe des Kompetenzteams Mädchenbildung.
Federführend für das Kompetenzteam „Schrift und Schreiben“ ist Brunhilde Kanzler, Oberstudienrätin a. D. (an einer Hochschule). Dabei arbeiten mit: Elsbeth Steeb, Ingrid Ziegler, Irmingard Wolf, Roland Steeb, Renate Sohnle, Waltraud Krafft und Gerda Fetzer. Auch diese Arbeitsgruppe tagte am 19. Januar, einige Stunden später.
Kanzler legte einen Aufriss der Darstellung des Themas im zweiten Ausstellungsraum vor. Schreiben als Form der Aneignung von Welt mit der Hinführung zur geistigen Eigentätigkeit soll zur Darstellung kommen. Fenster in die Schreibgeschichte sollen eröffnet werden, die Systematik dabei nicht nach Vollständigkeit streben. Der Lokalbezug zu Schwäbisch Gmünd und Umgebung wird deutlich herausgehoben.
Schreiben als Form
der Aneignung der Welt
Gmünder Schülerhefte in lateinischer Schreibschrift wurden sortiert und besprochen. Die Repräsentationsform in Vitrine, Regal oder Schaukasten spielte eine Rolle. Lesbare und miserable Schülerschrift sollte mit dem späteren Leben, vor allem dem Berufserfolg verglichen werden, wobei es schon jetzt ganz gegensätzliche Ergebnisse gibt. In der Mitte des Austellungsraums sollen Schreibstationen in Form von Bänken errichtet werden, wo die Museumsbesucher verschiedene Schreibmaterialen ausprobieren können: Wachstäfelchen, Knetmasse, Federhalter, Füller, Rohrfeder mit Tinte oder Tusche und Computer. Ebenso sollten dabei verschiedene Schriften, Current, Sütterlin oder die deutsche Schrift anhand einzelner Buchstaben ausprobiert werden können. Film oder Audiovision werden dabei die Formgebung vormachen — die Eigentätigkeit der Besucher so ermöglichen. Ursprünglich hieß das Thema Medien in der Schule, aber diese spielen als Träger der Schrift immer noch eine große Rolle: von der Keilschrift auf Ton, dem antiken Schreiben auf Wachstäfelchen bis zum Tageslichtprojektor und dem Computer. Inhaltlich steht dabei die Schrift als wichtiges Kulturgut der Menschheit im Mittelpunkt.
Als dritte Aufgabe steht dem Verein die Ausgestaltung eines historischen Klassenzimmers bevor, das die Gegebenheiten in der Schule in der Mitte des 20. Jh. mit dem modernen flexiblen Klassenzimmer vergleichen soll. Konkret heißt dies, dass die 30-​er und 40-​er Jahre und die Nachkriegszeit mit den vorhandenen Schulutensilien widergespiegelt werden sollen. Da der Fundus dazu sehr gut sortiert ist, macht sich der Förderverein an diese Aufgabe später.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

3128 Aufrufe
782 Wörter
4847 Tage 9 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4847 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/1/25/aus-maedchen-werden-frauen---aber-was-werden-frauen-schulmuseum-teams-planen-einrichtung-im-kloesterle/