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Als hätte sie noch keiner gekannt

Was wäre der Mann ohne die Frau – eine Frage, die sich seit Adam und Eva stellt. Hans Rasch ging ihr – der Frage – mit dem Stuttgarter „Dein Theater“ in einer Textcollage nach.

Freitag, 14. Oktober 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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THEATER (wil). Zu ihrem 200. Todestag kam Franziska von Hohenheim zu Wort, aber auch Barbara Künkelin, Lysistrata und Edith Stein wurden gewürdigt. „Seid ihr noch zu retten?“ fragten am Freitag Abend drei tapfere Frauen in der Theaterwerkstatt und wollten zeigen, „wie das Weibliche das Männliche aus der Fassung bringen kann“.
Aber es blieb beim Wollen, wenn auch zweimal durchaus Humor aufkam. Hans Rasch, der schon öfter ein Thema mit gelungenen Textcollagen von allen Seiten beleuchtet hatte, hatte sich hier hoffnungslos in verstaubter Historie verstrickt. Es war eine belehrende, teils gar moralisierende Geschichtsstunde, der jegliche Kurzweil abging, ja fast schon zopfiges Bildungstheater, das hier über die Bretter der Theaterwerkstatt kroch.
Gesine Keller im Landhausdirndl begann durchaus als Anheizerin, die im Stile einer Maria Hellwig ihr Publikum einstimmte auf einen Rollenkonflikt, der dann im Sande verlief. „Frauen retten Männer“ war ihr Anspruch. Und weil die Rettungsdienste von der Feuerwehr bis zum Euro-​Rettungsschirm männlich dominiert sind, kann dies zu paranoider Selbstüberschätzung führen. Wer rettet dann die Männer vor sich selbst?
Die vorgestellten Frauengestalten konnten in dieser Rolle nicht überzeugen, vor allem die Textauswahl ließ jeglichen Hintersinn, jedes Gespür für Ironie und Situationskomik vermissen. Fast eine Stunde schilderte Ella Werner das Leben der Franziska von Hohenheim, der wahren Geliebten von Herzog Carl Eugen, berichtete von ihrer Jugend in Adelmannsfelden und ihrer Zwangsverheiratung als Achtzehnjährige. In wechselnden Kostümen begleitete sie Franziska aus ihrer Ehe in die Arme des lebenslustigen und zeugungsfreudigen Herzogs, beschrieb die Schwierigkeiten einer Scheidung im 18. Jahrhundert und den recht rüden Umgang von Carl Eugens Nachfolgern mit der Witwe. Sicher eine verdiente Würdigung einer interessanten Frau, aber leider nicht zum Thema passend.
Nach der Pause wechselten die Frauenfiguren rascher, Rilkes poetischer Schilderung des Weiblichen wurden Edith Steins tiefschürfende Gedanken über die weibliche Eigenart im Beruf angefügt, Therese von Avila behauptete sich in einer Männerwelt — und plötzlich wurde die Philosophievorlesung von einem Schlager unterbrochen. Ellen Werner zeigte weibliche Reize und augenzwinkernd gestand sie: „Ich mag dich, weil du klug und zärtlich bist“.
Hier hätte es weitergehen können, doch es stand wieder Geschichte auf dem Be-​Lehrplan. Lysistratas sexuelle Verweigerung zur Beendigung des Krieges und die Geschichte der Weiber von Weinsberg wurden erzählt, als ob sie noch keiner kannte. Die Verteidigung der Stadt Schorndorf, die Barbara Künkelin durchsetzte, war zwar eine mutige Tat – steht aber in krassem Gegensatz zur beschworenen Friedfertigkeit der Frauen.
Völlig von der Rolle dann der Ausflug in die Welt der Musik zu Ariadne auf Naxos und Fidelio, die wohlklingend vom Band erschallten. Martina Schotts kurze Szene über den Vater, der schön gegessen hat, was die Mutter schön kochte, ließ am Schluss noch kurz durchschimmern, wie der Abend hätte auch sein können – und wohl auch erwartet wurde.

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