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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Peter Parler — der ungewöhnliche junge Mann

Wie kommt es, dass ein so junger Mann aus einer kleinen Stadt in Schwaben berufen wird, um im damaligen Zentrum des Reiches als Baumeister an einem Dom zu wirken?

Mittwoch, 05. Oktober 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 57 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Wenn diese Frage einer beantworten könnte, dann Petr Chotebor, Architekt und Denkmalpfleger der Prager Burg, zuständig auch für den Veitsdom. Er ist, wie OB Richard Arnold mit Blick auf den anwesenden Münsterarchitekten launig erwähnte, „der Hänle von Prag.“
Aber der Experte, nicht zum ersten Mal in Schwäbisch Gmünd, der gestern Abend vor einer über hundertköpfigen Zuhörerschaft in der Rathaus-​Soiree über Peter Parler in Prag und Umgebung sprach, konnte es auch nicht. Es wäre unredlich gewesen, hätte er es mehr als übervorsichtig versucht: das geben die spärlichen Quellen schlicht nicht her; den spekulativen, oft von Wunschdenken geleiteteten Erklärungen mancher Kunsthistoriker und anderer möchte er sich wohl nicht anschließen. Die wichtigste Quelle, die lateinische Inschrift von 1356 über der Porträtbüste am Triforium des Veitsdoms, zeigt nur die Herkunft und das Alter des Baumeisters an: Peter, Sohn des Heinrichs Arler, Meister von Gmünd, aus erwähnter Stadt, damals23 Jahre alt.
Kaiser Karl IV. musste von den Fähigkeiten des jungen Baumeisters überzeugt gewesen sein. Man spreche oft von der Frauenkirche in Nürnberg, nach Meinung mehrerer Autoren sei Peter Parler dort eigenhändig beteiligt gewesen, sagte Petr Chotebor. „Am Heiligkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd hatte Peter eher nur seine Anfänge erlebt, konnte weder Konzept noch Entwürfe schaffen. Bestimmte Motive aus dem Gmünder Münster können wir aber in seinem Werk finden.“
Jedenfalls habe der neue Dombaumeister in Prag seine Tätigkeit am Veitsdom mit anderen Steinmetzen begonnen. Sein erstes Werk war wahrscheinlich die Sakristei an der Nordseite des Chorumgangs, wo er an die Arbeit der vorigen Bauhütte anknüpfte. Dort realisierte er das Gewölbe des östlichen Jochs, „wahrscheinlich schon aus vorbereiteten Werkstücken“, viel einfacher dann das Gewölbe im westlichen Joch. Bemerkenswertes Virtuosenstück in beiden: der hängende Schlussstein. Eine Kapelle an der Südseite gegenüber, noch polygonal begonnen, vollendete Peter Parler rechteckig.
Und dann schuf er die Wenzelskapelle, die sich in ihrer Bedeutung und Gestaltung von allen anderen Kapellen des Veitsdoms unterscheidet. Sie stellt sein zentrales Heiligtum dark, und im Kontrast zum einfachen Äußeren erstrahlt der Innenraum im Glanz von Edelsteinen, Gold und Farben. Peter Parlers Sterngewölbe wirkt wie ein leichter Baldachin; die Schlusssteine sind mehr dekorative als konstruktive Elemente. Das Hauptwerk, die Wenzelsstatue, trägt unten ein Parler-​Wappen. Am Nordportal befinden sich zwei komplizierte Figuralkonsolen, eine davon ein Mann mit Geldbeutel — vielleicht Judas -, der an ein Motiv aus dem Westportal des Gmünder Münsters erinnert. Viele originelle Details prägen auch das Südportal, die so genannte „Goldene Pforte“, der Festeingang zu Dom. Nach 1370 begann die Dombauhütte mit dem oberen Chorbereich und dem Strebewerk, das Chorgewölbe, ältestes netzgewölbe auf dem Kontinent, wurde 1385 vollendet. Peter Parler, der 1399 starb, begann noch den Bau des großen Südturms.
Das zweite Bauwerk Peter Parlers auf der Prager Burg, die Allerheiligenkapelle, ist nur in wenigen Teilen ursprünglich. Sie brannte 1541 aus. Petr Chotebor vermutet, dass sie „sicher eine herrliche, stark wirkende Architektur“ besaß, aber auch hier sei vieles nicht belegt.
Petr Chotebor ging in seinen weiteren Ausführungen auf Peter Parlers Anteile an der Karlsbrücke ein, vor allem am Altstädter Brückenturm, auf den Chor der Bartholomäuskirche in Kolin, wo die Maßwerkmotive mit Fischblasen eine eigene Erfindung des Baumeisters gewesen seien. Auch eine technische Innovation stamme von ihm: die vorgeblendeten Reliefprofile mit einer speziellen Verankerung. Ein kurzer Überblick über das Wirken weiterer Mitglieder der Parler-​Dynastie schloss sich an. Chotebor gab zu bedenken, dass kaum alles, was mit Peter Parler in Verbindung gebracht wird, von ihm geschaffen sein konnte — dafür hatte er nicht die Zeit, schließlich war er Leiter der Bauhütte, Architekt und auch noch Bildhauer. „Höchstwahrscheinlich schuf er die Wenzelsstatue“, vielleicht auch jene Büste, die sein Porträt darstellt. Für andere Steinmetze schuf er „Formen“, Schablonen oder Modelle. Seinen Vortrag belebte Petr Chotebor mit einer Fülle von Dias und Zeichnungen, die vor dem Saal zu sehen waren.
Baubürgermeister Julius Mihm erblickte in Peter Parlers Wirken einen „Maßstab für Schwäbisch Gmünd, an dem wir uns messen lassen müssen“, nicht zuletzt mit Blick auf den Stadtumbau: „Es lohnt sich, nicht immer gleich aufs Geld zu schauen.“ Und Kurt Scholze, Vermittler von Chotebors Besuch, hob stolz auf das „gemeinsame Band“ von Pragern und Gmündern ab — Peter Parler.
Das schmückt bis heute.

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