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Wirklich beseelt — Motettenchor in der Augustinuskirche

Das Konzert des Motettenchors in der Augustinuskirche hatte eine Fülle bemerkenswerter Facetten. Vor allem gereichte es einmal mehr dem Ruf der Stauferstadt und ihrer guten Chöre zur Ehre.

Dienstag, 22. November 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 22 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Der Ewigkeitssonntag ist kaum wie ein anderer geeignet zu Besinnung, innerer Einkehr und Totengedenken. Dass in Schwäbisch Gmünd innerhalb zweier Wochen Beethoven auf dem Programm stand, spricht für den genialen Komponisten, seine Ausdruckstiefe und (auch) für sein religiöses Ringen. Vor zwei Wochen das 3. Klavierkonzert c-​Moll, nun das Violinkonzert D-​Dur op. 61 sowie die „kleine Schwester“ der missa solemnis, das Opus 86 in C. Die hohen Erwartungen waren berechtigt.
Was KMD Sonntraud Engels-​Benz musikalisch in Szene setzte, gereichte einmal mehr dem Ruf der Stauferstadt und ihrer guten Chöre zur Ehre. Es gibt keine Dirigentin, die so bezwingend ausformt, mit präziser Gestik auf das Wesentliche beschränkt, zugleich ästhetisch ein Hochgenuss. (Die Philharmonie der Stadt und die Kirchenmusikdirektorin sollten aufeinander zugehen, wenn es um die Übernahme der künstlerischen Leitung geht. Es wäre ein Gewinn für alle Beteiligten.)
Der erste Dirigent, der aufhorchen ließ, weil er den Chor nicht „instrumental“ intendierte, sondern das Orchester „singen“ ließ, war Thomaskantor Hans-​Joachim Rotzsch (seine Einspielung von Bachs „Johannespassion“ belegt dies zeitüberdauernd). Frau Engels-​Benz tut es (ihm) gleich (schließlich kommen beide vom Gesang her).
Bereits bei den ersten Tönen des Violinkonzerts war dies signifikant. So hörte man den Schmelz der Linien derart betörend, dass der Boden für das Solo von Ulrike-​Anima (nomen est omen) Mathé bereitet war. Und dann entspann sich ein Dialoggefüge, das nicht schöner sein konnte. Das ausgezeichnete Orchester (mit beiden Benz-​Söhnen an Trompete II und sensiblen Pauken) begleitete einfühlsam, ohne die Akzente oder die Agogikatmung zu vernachlässigen. Auch anderen Besuchern fiel auf, dass die atemlose Stille des Zuhörens so noch nie wahrgenommen wurde. Wirklich beseelt spielte die feinsinnige Künstlerin ihren Part, teilte das Atmen mit Dirigentin und Orchester, langte mit akzentuiertem Abstrich zu oder ließ das virtuose Melodiengeflecht samt (Doppel-)Trillern und heiklen Kadenzen perlen. Einfach himmlisch, diese 45 Minuten — eine reife Leistung aller Musizierenden. Und ein Glückstag für die Stadt und die Augustinusgemeinde.
Die Substanz der Messe in C besticht ebenfalls. Beethoven kennt den Text genau und zollt ihm künstlerische Reverenz. Wie treffsicher ist sein Gespür für die Nuancen (in der Anbetung des „Gloria“: piano, in der folgenden Verherrlichung: forte), in Dynamik, Tempi, Fugentechnik der Höhepunkte bzw. auf sie zu, das Mit– und Ineinander der Soli (einzeln oder im Quartett) mit dem Chor …
Der Cappellachor III der Augustinuskirche und der Motettenchor mit Projektsängern bildete die nötige Größe, um in den zupackenden Stellen dem Orchester „Paroli bieten“ zu können. Bis auf wenige Ausnahmen gelang dies vortrefflich. Überhaupt waren die Mischung der Chorstimmen und deren Präsenz beispielgebend. Darum gelang alles so stringent, ohne Überreizung der Details. Wie die Dirigentin führt, Entwicklungen gleichsam vorzeichnet, dann wieder einfordert. Da kann Musik pulsierend Gestalt gewinnen — immer unter dem Primat der Gottesverehrung!
Innerhalb des Soloquartetts gab es ein eindeutiges Gefälle von den Damen zu den Herren. Nachdem beide verpflichteten Solistinnen absagen mussten, übernahmen Susanne Moldenhauer (Sopran) und — ganz kurzfristig - Isolde Assenheimer (Alt) deren Part. Der lyrische Sopran trug, hatte aber hinsichtlich der Intonation und der sichtbar körperlichen „Arbeit“ Defizite. Die Altistin verfügte über Kraft, dafür fehlte fraulicher Schmelz.
Zum Glück boten Andreas Weller (Tenor) und der musikalische Tausendsassa Gotthold Schwarz die ersehnte Homogenität in strahlender Makellosigkeit. Insgesamt brach sich die gekonnte Interpretation nachhaltig Bahn. Ein überwältigender Eindruck von Werk und engagierter Einlösung beschenkte ein begeistert applaudierendes Publikum.

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