Uli Keuler beim Förderverein Straßdorf
Ab wann soll das Kind mit dem Fremdsprachenlernen beginnen und wie viel Wellness braucht ein Kraftfahrzeug? Wie erklärt man den Sprung im Waschbecken der Ferienwohnung?
Freitag, 25. November 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 10 Sekunden Lesedauer
Der Förderverein Straßdorf lud am Samstag zum zehnjährigen Bestehens des Vereins in die Gemeindehalle und beschritt mit einem Comedyauftritt neue Wege. Der schwäbische Kabarettist Uli Keuler war geladen – und mit schwäbischer Gründlichkeit, Hintersinn und Tüftlerei spürte er in seinen Episoden den Tücken des Alltags nach. „Mainschtream“ und „Lifeschtail“ bilden mit schwäbischer Sparsamkeit und Provinzialität eine ganz eigene Mixtur, prickelnd, explosiv und immer zum Lachen.
Da präsentiert Keuler die „Klassiker“, wie den Lesenden und den Telefonierenden im Eisenbahnabteil, die Mnemotechnik für den Einkaufszettel oder den Neid auf den Privatpatienten, der eine hochexklusive und sauteure Krankheit bekommt, die man ihm einfach nicht gönnen will. Da werden die Klischees bedient, wenn der Strohwitwer bügeln soll oder der Standesbeamte die Entscheidungsfrage stellt. Das gedehnte „Jaaaa“ wird von einem „also“ begleitet und am Schluss stellt sich dann heraus, dass das Paar bereits Kinder hat.
Es ist meist der kurze Nachsatz, der den Szenen ihre Pointe gibt, das Skurrile unterstreicht. Der moderne Mensch engagiert sich, nimmt am Mittelalterspektakel teil — und wird per Handy in familiäre Beziehungsprobleme gestürzt. Wir müssen alles gleichzeitig können, überall dabei sein und wo es endet, zeigte Uli Keuler. Der Kauf einer Bahnfahrkarte wird für alle zum letzten Abenteuer der Neuzeit, die Küche der Zukunft ein unkalkulierbares Risiko. Denn zunächst muss der Geschirrschrank umfangreich informiert werden, was gekocht werden soll, dann werden die Zutaten automatisch bemessen zugeteilt, und wenn man den Herd dann doch nicht ankriegt, bleibt der Benzinkocher der bulgarischen Armee, den es für 40 Euro im Internet gibt.
Das Internet hat es Keuler sowieso angetan, der Chat über Baudelaire zeigt die ganze Unsinnigkeit solcher Diskussionsforen. Aber Bildung ist wichtig, ob es die Fremdsprache für Kleinkinder ist, wo sich die Eltern gegenseitig mit dem abstrusesten Wortschatz zu überbieten versuchen oder die lange Nacht der Museen, wo die Grenze vom Event zum Diebstahl wegen der reichhaltigen Bewirtung schon mal verwischt wird.
Keuler erzählt jede seiner Geschichten packend und detailliert und erst allmählich schimmert durch, was nicht ganz koscher ist. Scheibchenweise werden die Schäden an der Ferienwohnung gestanden, jedes einzelne Ereignis geschickt von hinten her aufgerollt. Auch die allgegenwärtige Wellness nimmt Keuler aufs Korn, überträgt sie auf alle Lebensbereiche und endet in der Kfz-Werkstatt mit der Motorraumpflege nach Hildegard von Bingen. Asiatisches Denken ist in, „Wurzeln und Kronen, die 32 Quellen des Reichtums“ ist sein Feng Shui für Zahnärzte. Das „hydrotherapeutische Wochenendseminar“ umfasst das Aquaplaning in der Gruppe und trotz aller Sprachmodernität ist ein Gugelhupf noch immer keine Tanzveranstaltung im Internet. Keuler zielt und trifft – und mit seinem Brief eines Bahnvorstands an Kinder, die wissen wollen, wie es auf der Stuttgarter Baustelle denn nun weitergehe, mitten ins Schwarze: allein das Datum 2027 ist Aussage genug. Der gute Besuch hat den Straßdorfer Förderverein ermutigt, mit solchen Veranstaltungen fortzufahren.
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