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Kunst von Behinderten: Unverfälscht und unbeeinflusst

„Muss ich wissen, von wem diese Bilder sind, um festzustellen, dass sich eine künstlerische Persönlichkeit dahinter verbirgt?“, fragte Robert Craffonara. Der Mediziner aus Waldstetten führte in die Ausstellung des Kunstvereins ein, die bis zum 18. Dezember in der Kornhaus-​Galerie zu sehen ist.

Samstag, 26. November 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 41 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (rw). Kunstvereins-​Vorsitzender Albrecht Vogel und Lindenhof-​Direktor Jürgen Kunze begrüßten die Besucher der Vernissage, Uwe Werner (Saxophon) umrahmte sie musikalisch. Die Frage ist rhetorisch, weil das Vorwissen in diesem Fall da: Es handelt sich um Bilder und Objekte, die Männer und Frauen mit geistiger Behinderung geschaffen haben. Die Stiftung Haus Lindenhof begeht heuer ihr 40-​jähriges Bestehen, seit 20 Jahren pflegt und fördert sie kreatives und künstlerisches Schaffen der von ihr Betreuten. Was dabei entsteht, zeigt diese Ausstellung exemplarisch.
Nicht alles, so Craffonara, was von Menschen mit geistiger Behinderung bildnerisch gestaltet und ausgestellt werde, sei Kunst – doch dies sei bei anderen Ausstellungen nicht anders. Versuche, die Objekte und Bilder der Naiven Kunst oder der Minimal Art zuzuordnen oder sie als Außenseiterkunst zu bezeichnen, träfen das Wesentliche dieser Kunst nicht, und trotz einer gewissen Verwandtschaft mit dem Expressionismus könne man sie diesem auch nicht zuordnen. Jean Dubuffet habe den Begriff „Art brut“ – rohe Kunst – dafür verwendet. Damit habe er die ursprüngliche und unabhängige, aus dem spontanen inneren Impuls heraus entstandene, nicht weiter verarbeitete, sondern sozusagen rohe Form der künstlerischen Gestaltung beschreiben wollen. Wobei noch ein wesentlicher Unterschied bestehe zwischen den Bildern von psychisch Erkrankten und jenen von geistig Behinderten. Die einen drückten ihre Ängste und Nöte aus – nicht zuletzt durch groteske und verworrene Darstellungen –, die anderen hingegen zeigten Szenen, die in der Sprache des Psychiaters als „aufhellend“ bezeichnet werden. Viele Blumen kommen darin vor, „man kann sie auch im eigenen Wohn– und Arbeitsraum aufhängen und sich daran immer wieder erfreuen.“ Eine geistige Behinderung an sich stelle ja auch keine Krankheit dar. In beiden Fällen aber sei diese Art von Kunst unverfälscht und unbeeinflusst von professioneller zeitgenössischer Kunst, unabhängig von Kunstmessen, Galeristen und Moden, unabhängig auch vom Marktwert. Damit besitze sie eine ungeahnte Autonomie, die ganz im Sinne Friedrich Schillers Merkmal von Kunst sein müsse: „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ Das sei es, was an vielen der Exponate so fasziniere.
40 Jahre Stiftung Haus Lindenhof:
Das bildnerische Schaffen von Menschen mit Behinderung. Ausstellung im
Gmünder Kunstverein, Kornhaus.
Dauer bis zum 18. Dezember.
Öffnungszeiten: Di – Fr 14 – 17 Uhr,
Sa 10 – 13 Uhr, So 11 – 17 Uhr.

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