Betörend: Das Rasumowsky-Quartett im Schwörhaus
Dass die Künstler überhaupt nach Schwäbisch Gmünd ins Schwörhaus kamen, obwohl sie noch in der Nacht zu ihren Wirkungsorten Saarbrücken und Bern zurückfahren mussten, verdient allein schon Respekt. Was sie musikalisch boten, gehört in die Kategorie bester Streichquartett-Interpretation.
Donnerstag, 01. Dezember 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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Überhaupt war der ganze Abend (Haydn, Schostakowitsch und Beethoven) von überschäumender Ideenfülle und nuancierter Differenziertheit geprägt. Was für eine ausgefeilte Dynamik des Spiels, welches zarte Singen oder - kontrastreich — kräftiges Zupacken, dabei alles in mitatmendem Dialog.
Warum ausgerechnet Joseph Haydns Es-Dur-Quartett op. 33 Nr. 2 den Beinamen „Der Scherz“ trägt, hob sich der Schelm für den Schluss auf — eine Variante seiner Abschiedssinfonie. Hier nicht der Abgang der den Fürsten schlitzohrig nötigenden Orchestermitglieder, sondern die Atomisierung der Melodielinien in knappe Teilstücke samt Generalpause. Aber nicht dieser Gag war das tragende Element, sondern die ausgefeilte Kunst eines Genre, das Papa Haydn zeitgleich mit Luigi Boccherini „erfand“. Das Streichquartett ist die dichteste Form, ein wahrer Mikrokosmos der Kompositionskunst, zugleich deshalb auch deren intensivste Weise des Hörens. Einfach wunderbar, wie das Rasumowsky-Quartett die Musik zum Leben erweckte, wie diese aufblühte und entzückte.
Besonders spannend war naturgemäß die Interpretation des Schostakowitsch-Quartetts. Die Noten in Ziehharmonikamanier auf dem Pult (da man laut Frau Grandjean bei den Verlagen nicht imstande sei, die Noten mit Umblättermöglichkeit zu drucken), entspann sich ein wahres Feuerwerk an Melodien und Harmonien. Ganz auf der Höhe der Zeit hat der Meister die Instrumente arteigen sprechen lassen, ohne dass man verfremdend das Streich– als Schlaginstrument missbrauchen musste, nur um „originelle“ Klangwelten aufzutun. Nein, hier wurde man einer fast intimen Originalität inne, die einen den Atem anhalten ließ. Die Sinnlichkeit war betörend.
Die opulente Modulationsfülle erinnerte an Max Reger. Wie klangvoll das Pizzikato vom Cello zur 1. Geige wanderte, wie sonor die Oktavparallelen von Cello und Bratsche gerieten. Eine gleichsam kontrapunktische Intensivität (auch mit Dämpfer) durchzog das Ganze; der Wechsel der Takte pointierte das Fließen. Keine einzige triviale Wendung, dafür ein Sprühen des Geistes, eine wahrhafte Inkarnation in Musik. Und man bekam das wechselvolle Leben Schostakowitschs gespiegelt. Das nachzuweisen, bedeutet, alle 15 Quartette entsprechend zu hören — ein lohnenswertes Projekt.
Der energiegeladene Beethoven (Quartett F-Dur op. 59/1) beschloss den wundervollen Abend. Ein Energico voller Kontraste, das Adagio molto e mesto ein (Felix Mendelssohn Bartholdy) vorausgenommenes Lied ohne Worte!
Nicht nur der weiten Abreise geschuldet, sondern folgerichtig gab es keine Zugabe nach derart gebündelter Energie. Der Beifall war die angemessene Würdigung eines bedeutenden Konzertabends. Man kann der Städtischen Musikschule nur gratulieren zu dieser prächtigen Konzertreihe.
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