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„Peer Gynt“ — gefeiertes Ballett im Stadtgarten

Aus Henrik Ibsens dramatischem Gedicht „Peer Gynt“ ein Handlungsballett zu kreieren, scheint sich durch die dazu geschriebene Bühnenmusik von Edvard Grieg fast anzubieten.

Freitag, 02. Dezember 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 51 Sekunden Lesedauer

BALLETT (cl). Doch dessen Komposition ist als Zwischenaktmusik konzipiert und nicht als Ballettmusik. So war man am Mittwoch im vollbesetzten Stadtgarten sehr gespannt auf das Gastspiel des Balletts der Tatarischen Staatsoper Kasan. Die Tänzerinnen und Tänzer des renommierten Ballett zeigten wie das Leben des Peer Gynt auf Gedeih und Verderb bestimmt wird durch starke Frauen: seine Mutter Aase, das Mädchen Ingrid, die ihn begehrt und einen anderen heiraten muss, Solveigh, die das reine, tief empfindende und ein Leben lang auf Peer Gynt wartende Mädchen verkörpert, die „Grüne Frau“, die Tochter des Bergkönigs und Zauberfee, und schließlich Anitra, die geheimnisvolle Beduinenschönheit, die den tumben Peer Gynt um Hab und Gut bringt. Frauen sind sein Schicksal, und seine schicksalhaften Begegnungen mit ihnen stürzen den Helden immer wieder in den Strudel der Leidenschaft, des sinnlichen Genusses, des triebhaften Suchens nach sich selbst.
Das Ballett der Tatarischen Staatsoper Kasan überzeugte einmal mehr mit technisch exzellenten Solisten, dem hervorragenden Corps de ballet, der verschwenderisch schönen Ausstattung und den traditionell-​nordischer Kleidung nachempfundenen Kostümen — das alles verschmolz zu einem rundum gelungenen Gesamtkunstwerk. Die Zuschauer erlebten einen Tanztheaterabend solistischer Leistungen und einen großartiger Ensemble-​Erfolg.
Eine in jeder Beziehung ideale Besetzung: Mikhail Timaev in der Titelrolle des Peer Gynt. Ein Tänzer voller Kraft und charismatischer Männlichkeit in den Sprüngen und Drehungen und Eleganz in den Paartänzen mit Solveigh, die in jeder Nuance der anspruchsvollen Choreografie brillierte. Mit dem Reich der Trolle kam richtig Leben ins Geschehen, als sich die „Grüne Frau“ mit virtuosen Pirouetten vorstellt und Peer Gynt zum Bleiben verführen will. Doch „Solveighs Lied“ rettet ihn aus der Unterwelt. Im Thronsaal des Trollkönigs rasen die schwarzen Trolle, der furiose Tanz zum Grieg-​Satz „In der Halle des Bergkönigs“ begeisterte das Publikum.
Peer Gynts weitere Erlebnisse werden von Grieg mit klanglichen Exotismen untermalt. Dann breitet sich Griegs weltbekannte „Morgenstimmung“ im Stadtgarten aus. Yulia Pozdnyakova als Solveigh verlieh ihr mit tänzerischem Können sichtbaren Ausdruck. Ein Leben lang hat sie auf ihren Abenteurer Peer Gynt gewartet. Sehr schön der abschließenden Pas de deux: Ein glückliches Wiedersehen zwischen Solveigh und Peer Gynt, das geprägt war von einer gewissen Melancholie. Gesten, Bewegungen, die Mimik des Ausdrucks, das Ballett der Tatarischen Staatsoper Kasan übersetzte den Ibsen-​Text kongenial in die Sprache des Tanzes, quasi als einen Text ohne Worte, nur durch Bewegung vermittelt. Tänzerische Glanzleistungen, bei denen Anmut und technisches Können einander die Waage hielten wurden im Rahmen einer ästhetischen Inszenierung präsentiert. Die Aufführung war wieder einmal mehr als ein klassischer Ballettabend, es war ein Gesamtkunstwerk, das die Zuschauer mit einem nicht enden wollenden Applaus feierten.

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