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Am Beispiel Untergröningens zeigt sich, welch große Rolle einst die Dorfbrauereien spielten – und wie die meisten mit der Zeit aufgeben mussten

In der Zeit der Fernsehbiere, in einer Zeit, in der Großbrauereien problemlos hunderttausend Flaschen in der Stunde produzieren, gerät zunehmend in Vergessenheit, in welchem Maß unzählige Kleinstbrauereien einst das Dorfgeschehen bestimmten. Nur wenige bestehen bis heute.

Donnerstag, 17. März 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 36 Sekunden Lesedauer

ABTSGMÜND-​UNTERGRÖNINGEN (rz). In Untergröningen ist die Geschichte dieser Brauereien unvergessen – nicht zuletzt Dank Lokalhistoriker Roland Knobloch, der ihre Entstehung ebenso dokumentiert hat wie die Jahre ihrer Blüte und die Gründe ihres Niedergangs.
Wer sich abends, zum Treffen mit Freunden oder zum Fußballspiel, ein Bier gönnt und sich überlegt, ob das schon problematischer Alkoholkonsum ist, kann sich kaum vorstellen, in welchem Maß der Gerstensaft – ebenso wie der Most – einst das Leben der Menschen bestimmten. Es gab sogar Zeiten, in denen Bier, das freilich früher einen geringeren Alkoholgehalt hatte, Kinder gesund machen sollte. Gar nicht so dumm übrigens, wenn man bedenkt, dass das Bier, im Gegensatz zum vielfach verunreinigten „Trinkwasser“, durchs Kochen keimfrei geworden war. Unverzichtbar war Bier vor allem als Nahrungsmittel, und nicht umsonst wurde es auch „flüssiges Brot“ genannt. In einer Zeit, in der jeder Hagelsturm einen Hungerwinter ausmachen konnte, nutzten die Menschen alles, was ihnen half, zu überleben: Und wenn mehr oder weniger verdorbenes Getreide für nichts anderes mehr taugte – zu Bier verarbeitet war es meistens noch genießbar. Weil der Transport nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit kostete, wurde vorzugsweise vor Ort gebraut: Wasser, Malz und Hopfen verbunden mit Wissen und Erfahrung – mehr war nicht nötig.
In Untergröningen findet sich 1612 der erste Hinweis auf eine Wirtschaft, den „Ochsen“, der in den Jahrhunderten, die kommen sollten, samt „Brau– und Brandweingeschirr“ an immer neue Familien übergeben wurde. Der von den Hungersnöten bis zum Brand im Jahr 1903, vom 30-​jährigen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg – während dieser Jahre war im Ochsensaal eine Näherei der Heubacher Firma Spießhofer und Braun eingerichtet –, alles überdauerte, um dann, zu Beginn der 90er-​Jahre, geschlossen zu werden.
Um 1800 entstand in der katholischen Kolonie der „Adler“, ebenfalls als Wirtschaft und Bierbrauerei – das Wappen der Brauer am Hauseingang erinnert bis heute an diese Zeit. Knobloch hat nette Anekdoten ausgegraben – erzählt beispielsweise vom Rechtsstreit um eine Bassgeige, die von einer Katze umgeworfen und beschädigt wurde, oder von Schaustellern, die mit ihren Sprüngen in der Gaststube den von der darunterliegenden Brauerei durchfeuchteten Holzboden durchbrachen und samt den Gästen im Braukeller landeten. Auch der Adler hat vieles gesehen und erlebt, war zwischendurch „Armenbeschäftigungsanstalt“ und Gewerbeschule und ist nunmehr seit Jahrzehnten Wohnhaus. Das „Rössle“ war ab 1868 Gasthaus und Bierbrauerei in der Vorstadt; hier kehrten unter anderem die Langholzfahrer ein, sowie die Bauern, die von der Heuernte kamen; Hunde– und Taubenbörsen wurden abgehalten, doch bereits während des Zweiten Weltkriegs ruhte der Betrieb – Chefin Berta Vögele öffnete einmal im Jahr, um die Schankkonzession nicht zu verlieren, aber auch das war bald vorbei.
Als Bierbrauer Johann Ambrosius Kunz 1830 eine Untergröningerin heiratete war das der Beginn der einzigen bis heute bestehenden Wirts– und Bierbrauertradition – auch wenn sich der junge Mann jahrelang und zunächst vergeblich um die notwendigen Konzessionen bemühte; „Ochsen“ und „Adler“, so entschied das Oberamt, seien genug. Aber Kunz gab nicht auf und das „Lamm“ wuchs und gedieh. Als 1894 die lang ersehnte Karriolpost von Untergröningen nach Abtsgmünd endlich genehmigt wurde, war es sein Sohn Friedrich, dem diese Postkutschenstrecke, samt Kutsche und Pferden anvertraut wurde. Ein Fuhrbetrieb – Holzrücken gehörte ebenso zum Geschäft wie Leichentransporte und das Schneeräumen – half dem Betrieb ebenso, das 20. Jahrhundert zu überstehen wie immer neue Investitionen in Brauerei, Gasthof und nicht zuletzt in die Aus-​, Fort– und Weiterbildung der Mitarbeiter. Nach Heinrich und Ursula Kunz sowie Traudel Moch, geborene Kunz, ist es heute mit Andreas und Annette bereits die sechste Generation, die Untergröningens letzte Brauerei in die Zukunft führt.

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