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Nachrichten Kultur

„Frisch gewagt“ — eine Art Revue mit dem Stuttgarter Dein Theater in Lorch zum 100. Geburtstag des Schriftstellers Max Frisch

Eine Theaterpremiere des Runden Kultur Tisches Lorch begeisterte die Zuschauer am Samstagabend im Saal des Waldcafes Restaurant Muckensee. „Dein Theater “ gastierte auf der kleinen Bühne mit einer Max-​Frisch-​Revue.

Donnerstag, 24. März 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 46 Sekunden Lesedauer

THEATER (jr). Stefan Österle zeigte zum ersten Mal in dieser Saison das Programm „Frisch gewagt“ zum 100. Geburtstag des schweizer Dichters Max Frisch. „Wer bin ich? Die Antwort wüsst’ ich gern.“ Betitelten Anne Buschatz, Werner Rasch und Friedrich Beyer das Programm und charakterisierten so ganz treffend Max Frischs Werk. Im Zentrum von Max Frischs Schaffen steht häufig die Auseinandersetzung mit sich selbst, wobei viele der dabei aufgeworfenen Fragen als typisch für den postmodernen Menschen gelten: Finden und Behaupten seiner eigenen Identität, Konstruktion der eigenen Biografie, Geschlechterrollen und deren Auflösung — und hier spezifisch: die kritische Auseinandersetzung mit dem Heimatland Schweiz.
Der erste Blick der Zuschauer fiel auf die Projektion eines Textes, in dem Max Frisch bei einem Stuttgart-​Besuch sich lobend über den Bahnhof äußerte — ein heiterer satirischer Einstieg. In Max Frischs Vorgehensweise ging’s weiter mit einem aufgezeichneten Interview im Originalton mit einem Züricher Lehrerehepaar, das den Autor gekannt hat und sich zu seinem Leben und Werk äußerte.
Jeden Tag ein neues Motto,
einen neuen Versuch
Max Frischs Lebensweisheit: jeden Tag ein neues Motto, eine kleine Änderung im Alltag, Neues ausprobieren, denn man weiß ja nicht, wie lange man lebt. Kleine Veränderungen mit großer Wirkung, darin ist der Schauspieler Stefan Österle Meister. Er kann durch kleine Gesten, ausdrucksstarke Mimik und wandelbarer Sprache soviel ausdrücken und somit dem Publikum in eindreiviertel Stunden die Person Max Frisch, sein Werk und Umfeld eingängig vermitteln. Unterhaltend und mit hohem Niveau ging Stefan Österle auf die Hauptthematik Frischs ein: Reflektion des eigenen Verhaltens und die Suche „Wer bin Ich“, verstärkt durch Bildprojektionen mit Klängen.
In wechselnden Requisiten, Hüten Jacken und der berühmten Brille stellte Österle die Werke des Dichters in kleinen Auszügen, Gesprächen, Interviews und Gedanken vor. Setzte er die mit dem Schweizer Kreuz beklebte Brille auf, war er Max Frisch mit schweizer Dialekt, der alles in Frage stellt mit „oder“, setzte er die Brille ab, kam der Schwabe Österle zum Vorschein. Max Frischs Zitate, seine Tagebücher, Theaterstücke, Interviews, Romane und Erzählungen wurden dem Publikum aufgetan.
Im Roman „Stiller“ thematisiert er die Sehnsucht nach dem anderen ich und die Mann-​Frau-​Beziehung, in „Andorra“ beleuchtet Frisch das Verhalten der Andorraner zum Judentum, die Grausamkeit, die dort einem Juden passiert und am Ende festgestellt wird, dass der „Jude“ ein andorrianisches Findelkind war. Bekannt sind auch Frischs Roman „Homo Faber“, Reiseberichte, Tagebücher und Erzählungen wie „Montauk“, „Mein Name sei Gantenbein“, die Parabel „Biedermann und die Brandstifter“ und andere mehr. In seine Rezitationen lies Stefan Österle auch immer wieder Max Frischs Biografie einfließen: 1911 in Zürich geboren, studierte erst Germanistik, brach nach dem Tod des Vaters sein Studium ab und arbeitete bei der Züricher Zeitung. 1934 entstand nach einer Auslandsreise sein erster Roman „Jürg Reinhart, eine ‚Schicksalsfahrt“, danach Architekturstudium, um endlich irgendwas zu sein, dann widmete er sich seiner Dichtung und löste 1955 sein Architekturbüro auf. Mit der Streitschrift „Schweiz ohne Armee“ hat Frisch sich in seinem Heimatland auch Feinde gemacht. Max Frisch liebte als Kind das Buch „Don Quichotte“, das steht auch für sein Leben: er kämpfte auch gegen Windmühlen und jagte seiner Traumfrau hinterher. Max Frisch hatte drei Kinder aus der ersten Ehe mit Constanze Meyenburg, hatte sonst viele Beziehungen und Ehen, die wieder auseinander gingen. Er schrieb selbst: „Die Ehe ist möglich, solange nichts Unmögliches von ihr gefordert wird“. Frisch sieht im sich vorgestellten Leser einen Partner. So stellte sich Schauspieler Österle seinen Fragen: „Bin ich arm oder frei, wenn ich nichts besitze? Wie verhält es sich mit der Luft über den Grenzen? Was vermag Literatur?“ Vor seinem Tod 1991 beschäftigte sich Max Frisch mit dem Thema Alter: „Man wird ein Greis, wenn man sich zu nichts mehr verpflichtet fühlt.“ Da griff er lieber zum Wein, wie eine Zeitzeugin aus seinem späteren Wohnort berichtete. „Dein Theater“ vermittelte einen vielseitigen, umfassenden und unterhaltsamen Eindruck von Max Frischs Werk.

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